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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Gemischte Bilanz

Nordroute am Mount Everest

Der Everest hat am Wochenende noch einmal seine Zähne gezeigt – und das ausgerechnet an jenem Tag, als gleich acht Bergsteiger ohne Flaschensauerstoff den Aufstieg zum höchsten Punkt in Angriff nahmen. Anders als erwartet, erschwerten am Samstag starke Windböen und Schneefall im Gipfelbereich den Aufstieg. Die Bilanz: zwei Gipfelerfolge ohne Atemmaske auf der Nordseite, einer auf der Südseite. Zwei Bergsteiger, die doch noch zu Flaschensauerstoff griffen und ebenfalls den höchsten Punkt auf 8850 Metern erreichten. Und drei Gipfelaspiranten, die aus Sorge um ihre Gesundheit umkehrten.

Achter Achttausender für Wenzl

Latorre, Wenzl und Graziani (v.l.)

Alle diese Bergsteiger sind wohlbehalten in den Basislagern angekommen – was die wichtigste aller Nachrichten ist. Der einzige, der am Samstag von Süden her den Gipfel ohne zusätzlichen Sauerstoff erreichte, war der Österreicher Hans Wenzl. Für den 46 Jahre alten Kärntner war der Everest der achte Achttausender nach Broad Peak, Nanga Parbat, Gasherbrum I und II, Manaslu, Cho Oyu und Makalu. Allesamt hat er sie ohne Flaschensauerstoff bestiegen. Wenzl erreichte den Gipfel nach spanischen Medienberichten gegen Samstagmittag, einige Stunden nach Ferran Latorre, der wegen der widrigen Wetterverhältnisse – wie berichtet – doch noch zur Atemmaske gegriffen hatte. Der 46-Jährige Katalane komplettierte am Everest seine Achttausender-Sammlung. Die anderen 13 Achttausender hatte Ferran ohne Flaschensauerstoff bestiegen. Der Franzose Yannick Graziani kehrte auf 8500 Metern um – seine Landsfrau Elisabeth Revol „auf halbem Weg“ auf der Gipfeletappe, wie sie heute auf Facebook schreibt: „Aber es war ein unglaublich schönes und intensives Abenteuer.“

Doppelbesteigung ohne Atemmaske

Kilian Jornet am Everest

Auf der Nordseite stieg der Spanier Kilian Jornet am Samstag zum zweiten Mal innerhalb einer Woche ohne Flaschensauerstoff zum Gipfel auf: in einem Zug vom vorgeschobenen Basislager auf 6400 Metern aus. Nach 17 Stunden erreichte er den Gipfel. Es sei hart gewesen, sich bei dem Wind schnell zu bewegen, sagte der 29-Jährige: „Ich denke, den Everest zweimal innerhalb einer Woche ohne Sauerstoff bestiegen zu haben, eröffnet eine neuen Raum der Möglichkeiten im Alpinismus, und ich bin wirklich glücklich, es geschafft zu haben.“ Ohne Kilians großartige Leistung schmälern zu wollen – aber das Kunststück der Doppelbesteigung des Everest innerhalb einer Woche war 2007 auch schon Pemba Dorje Sherpa gelungen, damals ebenfalls von Norden aufsteigend.

„Nur Schmerz und Dankbarkeit“

Ballinger auf dem Gipfel

Glücklich war auch der US-Amerikaner Adrian Ballinger, der am Samstag nach sechs Everest-Gipfelerfolgen mit Sauerstoff erstmals „oben ohne“ auf dem Dach der Welt stand. „Es gäbe so viel mehr zu sagen, aber mein Gehirn ist nicht bereit, irgendetwas anderes zu empfinden als Schmerz und Dankbarkeit“, schrieb der 41-Jährige auf Instagram. Sein Begleiter Cory Richards, der sich nicht wohl fühlte, hatte Flaschensauerstoff genutzt, um Ballinger weiter unterstützen zu können.

Umkehr kurz vor dem Second Step

Der Deutsche Ralf Dujmovits kehrte nach eigenen Angaben auf einer Höhe von 8580 Metern um, kurz vor dem Second Step, der markantesten Felsstufe auf dem Nordostgrat. Der 55-Jährige entschloss sich zum Abbruch des Gipfelversuchs, als er bei Wind und Schneefall begann, das Gefühl in den Händen und Füßen zu verlieren. Eine umsichtige Entscheidung. Ralf versuchte bereits zum achten Mal, den Gipfel ohne Flaschensauerstoff zu erreichen. Bei seiner erfolgreichen Besteigung im Herbst 1992 hatte der bisher einzige Deutsche, der auf allen 14 Achttausendern stand, bei schlechtem Wetter oberhalb des Südsattels Flaschensauerstoff geatmet. Die anderen Achttausender hatte Dujmovits ohne Atemmaske bestiegen.

Versucht es Kuriki noch einmal?

Der Japaner Nobukazu Kuriki stieg am Sonntag auf der Südseite erneut nach Lager 2 auf 6400 Metern auf. Der 34-Jährige hatte nach seinem auf dem Westgrat abgebrochenen Versuch in der vergangenen Woche erklärt, er wolle noch einmal aufsteigen. Der Wetterbericht sagt für die kommenden Tage leichten Schneefall und Wind mit Geschwindigkeiten zwischen 20 und 30 Stundenkilometern voraus.

Datum

29. Mai 2017 | 12:36

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