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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Kammerlander: „Ich möchte am Manaslu meinen Weg beenden“

Hans Kammerlander

Er will einen Schlussstrich ziehen. Der Südtiroler Hans Kammerlander will im Spätherbst in Nepal den 8163 Meter hohen Manaslu besteigen und damit sein Trauma von 1991 endgültig hinter sich lassen. Während eines Gipfelversuchs waren damals seine beiden Freunde Friedl Mutschlechner und Karl Großrubatscher bei einem Wettersturz ums Leben gekommen. Kammerlander erklärte seinerzeit, er werde niemals mehr zum Manaslu zurückkehren. In den Jahren zuvor hatte Hans an der Seite Reinhold Messners Alpingeschichte geschrieben. So gelang den beiden 1984 am Gasherbrum I und Gasherbrum II in Pakistan die erste Achttausender-Doppelüberschreitung, und das im Alpinstil.

„Kein Alpinismus“

Insgesamt bestieg Kammerlander bisher zwölf der 14 Achttausender. Vom Mount Everest fuhr er 1996 vom Gipfel mit Skiern über die tibetische Nordseite ab. Weil es eine schneearme Saison war, musste Hans mehrfach die Abfahrt unterbrechen. Heute hat er das Interesse am Everest verloren. „Ich verfolge das gar nicht mehr. Normale Everest-Besteigungen sind für mich kein Alpinismus. Sauerstoff, präparierte Berge, die Sherpas machen alles klar“, sagt mir der heute 60-Jährige. „Aber jeder soll es so machen, wie er es für richtig hält. Er soll nur keinen Müll dort oben lassen. Er soll den Berg sauber verlassen, dann ist es für mich okay.“ Ich habe mit Kammerlander über sein Manaslu-Projekt gesprochen, das er zusammen mit dem Nordtiroler Bergführer Stephan Keck realisieren will.

Hans, Manaslu heißt übersetzt „Berg der Seele“. Liegt dir der Manaslu immer noch auf der Seele?

Manaslu (l.) und Pinnacle East (r.)

Ja, natürlich. Wenn du mit solchen Schicksalsschlägen konfrontierst wurdest, wie ich am Manaslu, wo ich bei einem Versuch meine zwei damals sehr, sehr engen Freunde verloren habe, dann liegt dir so ein Berg mehr auf der Seele als einer, an dem du die größten Erfolge erzielt hast, wie der Everest oder der Nanga Parbat.

Du hast damals gesagt: Dieses Erlebnis war so traumatisch, dass ich nie mehr zum Manaslu zurückkehren will. Warum der Sinneswandel?

Ich wollte wirklich nicht mehr zurück. Ich dachte immer, das könnte nur die Wunden aufreißen. Vor einigen Jahren (2006) ist in Nepal bei einem Versuch am (7350 Meter hohen) Jasemba – wir waren zu zweit – ein sehr guter Freund von mir (Luis Brugger) beim Abseilen tödlich abgestürzt. Wir waren zu zweit. Im Jahr danach war ich wieder dort, und ich habe mit Karl Unterkircher die Begehung erfolgreich abgeschlossen. Ich habe festgestellt: Es ist besser, nach vorne zu gehen und nicht den Kopf in den Sand zu stecken und aufzuhören. Da entstand die Idee, vielleicht doch noch einmal an den Manaslu zurückzukehren, ohne Leistungsdruck, einfach ganz entspannt versuchen, auf den Berg zu gehen und damit einen Weg zu beenden. Das werden wir in diesem Jahr versuchen. Wir werden einen großen Kinofilm drehen. Er soll nicht reißerisch sein, sondern in die Tiefe gehen. Es wird ein Porträt meines Lebens, mit Höhen und Tiefen. Und der Manaslu ist das Hauptthema.

Starke Seilschaft: Kammerlander/Messner (hier 1991)

Du hast irgendwann einmal geschrieben, dass du dich jahrelang mitschuldig am Tod der beiden Freunde gefühlt hast und dir das Unglück damals auch die Fähigkeit genommen hat, dich am Berg zu freuen. Bist du in dieser Hinsicht inzwischen mir dir im Reinen?

Ja, vollkommen. Aber es ist natürlich klar: Als Expeditionsleiter fühlt du dich immer ein bisschen schuldig. Ich wollte damals Freunden die Chance geben, einen Achttausender zu besteigen, so wie Reinhold Messner es mit mir gemacht hat, als ich ein junger Bergsteiger war. Dann erreichen wir den Gipfel nicht und die beiden Topfreunde verunglücken. Obwohl du keine Schuld hast, bedrückt es dich sehr. Und doch möchte ich den Menschen jetzt sagen: Egal, was euch im Leben passiert, geht nach vorne. Wenn jemand eine Treppe herunterfällt und sich verletzt, kann er nicht ein Leben lang Treppen meiden. In diesem filmischen Porträt werden nicht nur glänzende Erfolge, sondern auch tiefe Schmerzen vorkommen, die mir im Leben sehr oft passiert sind: durch den Verlust von Freunden, durch einen schweren Autounfall, wo ich selbst die Schuld auf mich nehmen muss. Das waren ganz schwere, ungewollte Einschnitte. Das kommt in diesem Film alles auf den Tisch.

Du hast den Autounfall Ende 2013 angesprochen, bei dem ein junger Mann ums Leben kam. Du bist unter Alkoholeinfluss gefahren und wurdest als Schuldiger 2015 zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Kann man mit so einer Geschichte überhaupt klarkommen?

Wenn du einen Fehler machst, dann willst du ihn ja nicht machen. Dann ist er passiert, und du musst versuchen, damit zu leben. Natürlich weiß niemand auf der Welt, wie vielen Leuten ich bei Einsätzen als Bergrettungsmann das Leben gerettet habe. Und dann machst du einen Fehler, und dir wird nicht alle Schuld, aber ein Großteil der Schuld zugewiesen. Es war ungewollt, und auch damit musst du leben können. Das ist schwer. Wenn du einen Fehler gemacht hast, und es passiert etwas Dramatisches, das ist sehr, sehr, sehr hart. Weil du kein Guthaben bei der Öffentlichkeit hast. Da wirst du als bekannte Person auf diesen Fehler reduziert. Das ist sehr, sehr bitter.

Kammerlander über den Autounfall 2013

Camp 1 auf der Manaslu-Nordseite

Kommen wir auf den Manaslu zurück. Seit vergangenem Dezember bist du 60 Jahre alt. Wie bereitest du dich auf deine erste Achttausender-Expedition seit über 15 Jahren vor?

Ich bereite mich nicht besonders vor. Ich habe eine unglaubliche Routine. Ich weiß genau, was mein Körper schafft und was nicht. Diese Expedition soll ja auch mit Leistung nichts zu tun haben. Für mich persönlich soll es nur ein Weg sein, den ich gerne beenden möchte. Vielleicht gelingt es mir auch. Und ich glaube, dann bin ich innerlich  sehr ausgeglichen und kann sagen: Jetzt kannst du dich langsam zur Ruhe setzen. Jetzt hast du am Berg die großen Ziele erreicht. Das am Manaslu habe ich einfach nur abgewürgt, verschoben und mich nie mehr diesem Projekt gestellt.

Kammerlander: Keine besondere Vorbereitung auf Manaslu

Wirst du ohne Flaschensauerstoff aufsteigen?

Flaschensauerstoff kam für mich nie in Frage. Ich brauche ihn auch nicht. Den Berg traue ich mir natürlich auch zu, sonst würde ich das Projekt gar nicht erst andenken. Ich bin noch relativ fit. Und es sind schon viel Ältere auf solchen Höhen gewesen, die keine große Erfahrung hatten. Ich dagegen habe sie. Deshalb muss ich jetzt nicht wie verrückt laufen, um mich in Form zu bringen. 

Wollt ihr, wie 1991, über die Nordseite aufsteigen?

Ich würde ganz gerne in die Südwand gehen. Ich mag immer noch lieber eine steile Wand als einen ganz langen Hatscher (mühseliger Marsch), der leicht ist.

Die Südseite hätte ja auch den Vorteil, dass du den Massen, denen du am Manaslu im Herbst sicher begegnen wirst, aus dem Weg gehen könntest. Denn die sind zu 99 Prozent auf der Nordseite unterwegs.

Das hat sich wirklich sehr verändert. Damals waren wir alleine am Manaslu. Aber das ist für mich ohnehin kein Thema, weil ich erst im November aufbrechen und in den Winter hinein gehen werde. Dann ist niemand mehr da, und wir haben den Berg für uns alleine. Es wird sicher mehr Wind und mehr Kälte geben, dafür ist das Wetter wahrscheinlich beständiger. Das habe ich alles bedacht. Ich möchte nicht in so einer Masse nach oben gehen.

Die 14 Achttausender wären für dich im Erfolgsfall zum Greifen nahe. Dir fehlt ja neben dem Manaslu noch die Shishapangma, wo du „nur“ auf dem Mittel-, nicht dem Hauptgipfel warst. Wäre das für dich noch ein Thema?

Wenn ich den Gipfel des Manaslu erreiche, hätte ich für mich persönlich die 14 Achttausender voll gemacht. Denn auch der (8008 Meter hohe) Shishapangma-Mittelgipfel ist ja ein Achttausender. Damals war die Shishapangma mein Vorbereitungsgipfel für den Everest. Das habe ich echt vergeigt. Ich bin direkt auf den Mittelgipfel, habe dort ein paar Gebetsfahnen an einem Eispickel gesehen und bin nicht mehr den Grat hinüber zum wenige Meter höheren Hauptgipfel gestiegen. Aber das interessiert mich nicht, die Zahl 14 war für mich nie ein Thema. Ich hätte damals im Erfolgsfall bestenfalls der Vierte sein können, der alle 14 Achttausender bestiegen hätte. Da interessieren mich andere Geschichten mehr, wo ich etwas Neues probieren kann und mich nicht nur in einer Liste einreihen muss.

Kammerlander: 14 Achttausender sind für mich kein Thema

Datum

14. Juni 2017 | 14:50

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