Nives Meroi: „Macht es mit Geduld und Leidenschaft!“
Es gibt Bergsteiger, denen man ihre Erfolge ganz besonders gönnt. Wie Nives Meroi und Romano Benet aus Italien. Ohne viel Aufhebens darum zu machen, haben die beiden 55-Jährigen Achttausender nach Achttausender bestiegen und sind dabei sich und ihrem Stil treu geblieben: Immer waren sie im kleinen Team unterwegs, ohne Sherpa-Unterstützung, und stets verzichteten sie auf Flaschensauerstoff. Mit der Besteigung der Annapurna haben Nives und Romano heute genau vor einem Monat ihre Achttausender-Sammlung abgeschlossen – 19 Jahre nach ihrem ersten Erfolg am Nanga Parbat, acht Jahre nachdem Romano an aplastischer Anämie erkrankte, einer Sonderform der Blutarmut. Zwei Knochenmark-Transplantationen waren nötig, um sein Leben zu retten.
Zusammen mit zwei Spaniern und zwei Chilenen erreichten Meroi und Benet am 11. Mai den 8091 Meter hohen Gipfel der Annapurna. Damit wurden sie das erste Ehepaar, das die 14 höchsten Berge der Welt allesamt gemeinsam bestiegen hat. Nives war zudem nach der Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner die zweite Frau, die ohne Atemmaske auf allen Achttausendern stand. Inzwischen sind Nives und Romano wieder zurück in Italien – und Nives hat mir auf meine Fragen geantwortet, die ich den beiden nach ihrem Erfolg an der Annapurna geschickt hatte.
Es war nach 2006 und 2009 euer dritter Versuch an der Annapurna. Wie habt ihr den Aufstieg erlebt? Habt ihr von euren vorhergehenden Versuchen profitiert?
Dank unserer früheren Versuche kannten wir die Gefahren und Risiken des Bergs, die wir, soweit möglich, umgehen wollten.
Was ging in euch vor, als ihr den Gipfel der Annapurna erreicht und realisiert habt, dass ihr es wirklich geschafft habt: alle 14 Achttausender als Ehepaar bestiegen, ohne Flaschensauerstoff und Sherpa-Unterstützung?
Auf dem Gipfel eines Achttausenders bist du erst „halb oben“. Erst wenn du wieder sicher ins Basislager zurückgekehrt bist, kannst du wirklich „Gipfelerfolg“ sagen. Und das gilt besonders für die Annapurna. Ich erinnere mich an den Morgen, als ich im Basislager aufwachte und es erst einmal eine Weile dauerte, bis ich Traum und Realität auseinander halten konnte und mir bewusst wurde, dass wir wirklich erfolgreich waren. Die Annapurna ist gnädig zu uns gewesen und hat uns eine ganz besondere Besteigung gegönnt, um unsere „Perlenkette der Achttausender“ abzuschließen. Ein Aufstieg „wie aus früheren Zeiten“ – sechs Bergsteiger, die ihre Kräfte gebündelt und diesen Berg im Alpinstil bestiegen haben.
Ihr habt in den zurückliegenden Jahren so hart dafür gearbeitet, um euch euren großen Traum zu erfüllen, besonders nach Romanos lebensbedrohlicher Erkrankung. Seid ihr nun euphorisch über das, was ihr erreicht habt, oder doch eher ausgebrannt, erschöpft?
Natürlich sind wir dankbar und glücklich, dass wir unsere „Perlenkette“ geschlossen haben. Aber gleichzeitig ist es uns bewusst, dass dies nur eine Etappe auf unserem Weg in den Bergen ist. Nicht das Ziel.
Gibt es eine Botschaft, die ihr für junge Bergsteiger habt, die auch Abenteuer an den höchsten Bergen der Erde suchen?
Macht es mit Geduld und Leidenschaft! Schritt für Schritt, ohne nach Abkürzungen zu suchen, in einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dem Berg und euch selbst.