Neue Route am Chulu West: „Weniger Kommerz, mehr Berg“
Es muss nicht gleich die Lhotse-Südwand sein. Für starke und ambitionierte Bergsteiger, die weder zu den „Extremen“ gehören, noch Profis sind, lassen sich im Himalaya auch andere attraktive Ziele finden, die großes Abenteuer bieten. Das haben drei meiner Kumpel von der Erstbesteigung des Kokodak Dome 2014 in diesem Herbst in Nepal bewiesen. Jürgen Schütz, André Günzel und Manuel Möller gelang am 19. Oktober zusammen mit den Nepalesen Dawa Gyalje Sherpa und Pasang Gomba Sherpa die Erstbegehung des Westgrats am Chulu West. Der 6419 Meter hohe Berg liegt im Gebiet um den Achttausender Annapurna. Der Chulu West, 1952 von einer japanischen Expedition erstbestiegen, ist ein beliebter „Trekkingberg“ ohne große technische Schwierigkeiten – das gilt allerdings nur für die Normalroute über den Nordostgrat.
Viele Spalten
„Es gab keine Passage, die einfach nur leicht war“, schreibt mir André über den knapp 1000 Meter hohen Westgrat. „Die steilsten Passagen dürften um die 55 Grad sein. Und die ausgesprochenen Gratstellen sind schmal (zwei Fuß breit) und recht steil“, ergänzt Jürgen, der die Idee zu der Erstbegehung hatte. „Im Mittelteil öffnet sich der Grat zu einer Flanke mit reichlich Spalten. Nach zwei riesigen Querspalten, die wir links umgingen, erreichten wir über ein kleines Plateau die Schneide des Südgrats.“
Am Gratende umgekehrt
Bei einem ersten Erkundungsaufstieg hatten die Bergsteiger zuvor auf einer Höhe von 5480 Metern ein Materialdepot angelegt. Im zweiten Anlauf stiegen sie dann in einem Zug bis zum Ende des Westgrats auf. „An diesem Tag waren wir elf Stunden unterwegs. Geplant war eigentlich, über den Südgrat zum Gipfel weiterzugehen“, schreibt Jürgen. „Diesen Teil mussten wir aufgeben, da wir eine ca. 300 Meter lange Strecke des beidseitig überwechteten Südgrats mit Fixseilen hätten präparieren müssen. Diese Aktion hätte unseren Zeitrahmen gesprengt.“
Ohne Hochlager auf den Gipfel
Die drei Deutschen und die beiden Sherpas beschlossen, über die neu eröffnete Route wieder ins Basislager abzusteigen und dabei das Material aus dem Depot mitzunehmen. Den Gipfelerfolg holte das Quintett zwei Tage später nach. Über die Normalroute stiegen die fünf Bergsteiger in 14 Stunden ohne Hochlager zum höchsten Punkt und wieder hinunter ins Basislager.
„Engagierte Amateure“
„Da wir keine Profis sind, freut es mich um so mehr, dass es auch heute noch möglich ist, als engagierter Amateur in diesen faszinierenden Bergen ein Plätzchen zu finden, an dem man eigene Ideen entwickeln und nach seinem Gusto mit netten Freunden in die Tat umsetzen kann“, bilanziert Jürgen Schütz, der sein Geld im „normalen“ Leben als Chemielaborant verdient. Auch für Unternehmensberater Manuel Möller war die Expedition zum Chulu-West-Westgrat ein echtes Abenteuer: „Irgendwie ist es immer noch am schönsten, etwas Neues in den Bergen zu versuchen. Weniger kommerzieller Rummel, mehr Berg.“ Berufssoldat André Günzel bringt es so auf den Punkt: „Mit Freunden an einen schönen Berg, auf einer wunderbaren, neuen und anspruchsvollen Linie! Besser geht‘s nicht.“