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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Prinz und Prinzessin in der Hypoxiekammer

Mit Maske zu Besuch bei Ralf Dujmovits (r.)

Flaschensauerstoff an einem Berg kam und kommt für mich nicht in Frage. Aus Prinzip. Heute habe ich jedoch eine Ausnahme gemacht – für einen „virtuellen Berg“. Um Ralf Dujmovits, den einzigen deutschen Bergsteiger, der alle 14 Achtttausender bestiegen hat, und seine Lebensgefährtin, die kanadische Kletterin Nancy Hansen, besuchen zu können, ist es Vorschrift, eine Atemmaske zu tragen. Schließlich sind die beiden in der Hypoxiekammer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln nach gut zwei Wochen schon auf der simulierten Zielhöhe von 7112 Metern angekommen. Der Sauerstoffanteil in der Luft,  normalerweise 21 Prozent, wurde durch Zugabe von Stickstoff schrittweise auf acht Prozent gesenkt.  „Es ist wie bei der Besteigung eines Bergs. Die Akklimatisation ist fast geschafft, jetzt geht es auf den Gipfel zu“, sagt Ralf. „Die Zeit am Gipfel zieht sich natürlich deutlich länger hin.“

Kurze Erholung, dann wird es ernst

Nancy Hansens Blutdruck wird überprüft

In den kommenden Tagen dürfen Ralf und Nancy noch einmal kurz „absteigen“, um dickere Luft zu atmen. Am 4. Juni beginnt dann jedoch die entscheidende Phase der Studie, in der sich die beiden Bergsteiger zwei Wochen lang konstant in einer simulierten Höhe von 7112 Metern aufhalten sollen. Dabei soll getestet werden, ob extreme Hypoxie dazu führt, dass das Herz gestärkt wird und sich unter Umständen sogar neue Zellen bilden. Sollte sich diese Erkenntnis aus Experimenten mit Mäusen auch bei Menschen bestätigen, wären völlig neue Therapieansätze bei Herzinfarkt-Patienten denkbar.

Wie stark wird der körperliche Verfall

Acht Prozent Sauerstoffanteil

„Wir sind beide gespannt“, verrät Nancy. „Ich denke, die ersten paar Tage wird es okay sein. Danach wird es sich entweder normal anfühlen oder aber wir beginnen zu verfallen. Das weiß wirklich noch niemand.“ Ralf erinnert an den französischen Bergsteiger Nicolas Jaeger, der 1979 in einem Selbstversuch zwei Monate lang alleine im Gipfelbereich des 6768 Meter hohen Huascaran in Peru verbrachte: „Kognitiv war er gar nicht so schlecht beieinander. Zum Schluss wurde für ihn der körperliche Verfall zum ganz großen Problem. Das erwarte ich auch bei uns. Wahrscheinlich werden wir sehr viel Muskulatur abbauen.“

Richtig atmen

Bisher haben Hansen und Dujmovits die sauerstoffarme Zeit in der DLR-Hypoxiekammer gut verkraftet. Man sieht ihnen die Belastung jedenfalls noch nicht an. „Ich hatte drei, viermal ziemlich heftige Kopfschmerzen, meistens in der Nacht“, erzählt Nancy. „Aber es ist deutlich besser geworden.“  Die 49 Jahre alte Kanadierin findet es faszinierend, zu sehen, „was in unseren Körpern passiert, auch im Vergleich zwischen Ralf und mir.“ Ihr Partner akklimatisiere sich viel besser als sie, sagt Nancy: „Die Art, wie seine Lunge den Sauerstoff mit dem Herzen austauscht, unterscheidet sich sehr von meinem Körper. Ralf bringt mir bei, hier auf die richtige Weise zu atmen.“

Zurzeit kein Kletterwand-Training

Lungenfunktionstest an der Kletterwand

Dujmovits schätzt, dass er inzwischen „40 bis 45 Prozent Leistungsfähigkeit“ verloren habe. Dosiertes Ausdauertraining auf dem Fahrrad-Ergometer oder dem Laufband sei in der aktuellen simulierten Höhe von rund 7000 Metern noch möglich, sagt der 56-Jährige. Um die mobile Kletterwand in der Hypoxiekammer machen die beiden derzeit jedoch einen Bogen. „Die Beanspruchung der Muskulatur ist dabei sehr viel größer, und wir sind sehr schnell im anaeroben Bereich (in dem die Muskeln „übersäuern“). Wir wollen aber Sauerstoffnot vermeiden, die sofort zu Kopfschmerzen führen würde“, sagt Ralf.

Kein Lagerkoller

Ich frage, ob die Beziehung der beiden Probanden durch die lange Zeit in der Hypoxiekammer nicht auf eine ernste Probe gestellt wird? „Noch nicht“, antwortet Nancy und lacht. „Wir verbringen so viel Zeit zusammen. Aber es gibt wirklich keine Probleme, und ich erwarte auch keine.“  Ralf nickt. „Ich glaube, es ist wichtig, dass man Stress aus einer Beziehung heraushält. Das haben wir bisher ganz gut geschafft.“

Kein Big Brother

Nancy und Ralf in der DLR-Hypoxiekammer

Selbst die ständige Kamera-Überwachung stört die beiden nicht mehr. „Wir machen hier ja kein Big Brother“, sagt Dujmovits. „Wir wissen, dass die Forscher mit allem, was hier zu sehen ist, vertrauensvoll umgehen.“ Er habe die Kameras mittlerweile schon völlig ausgeblendet. „Heute Morgen bin ich nur in Unterhose durch die Räume gelaufen. Erst auf dem Rückweg ist mir eingefallen, dass mich ja jeder im Überwachungsraum so sehen kann.“ Das ganze Experiment, betont Ralf, sei „eine Mannschaftleistung“. Der Bergsteiger lobt ausdrücklich die engagierten Wissenschaftler im DLR, die „24 Stunden im Rundum-Schichtdienst für uns da sind“.  Auch Nancy ist von dem Team begeistert. „Das gesamte Personal behandelt uns so gut. Wir fühlen uns wirklich wie Prinz und Prinzessin.“

Datum

31. Mai 2018 | 0:10

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