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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Erste kommerzielle Winterexpedition am Mount Everest?

Mount Everest

Winterbergsteigen an den Achttausendern, das war bisher nur den Besten und Härtesten vorbehalten. „Ice Warriors“, Eiskrieger, nannte man etwa in den 1980er-Jahren, der Blütezeit der Winterexpeditionen zu den höchsten Bergen der Welt, die polnischen Experten für die kalte Jahreszeit. Ihnen gelangen in jenem Jahrzehnt die sieben ersten Wintererstbesteigungen von Achttausendern. Den Auftakt machten Krzysztof Wielicki und Leszek Cichy am 17. Februar 1980 gleich am höchsten aller Berge, dem Mount Everest. Schon kurios, dass ausgerechnet dort nun möglicherweise erstmals eine kommerzielle Winter-Expedition ihre Zelte aufschlagen wird.

Fünf Kunden bereits Ende Mai

Wielicki (l.) und Cichy nach der Wintererstbesteigung des Everest 1980

Wobei das Ganze etwas geheimnisumwittert ist. Am 28. Mai verkündete Tashi Lakpa Sherpa, Chef  von „14 Peak Expedition“ und Geschäftsführer von „Seven Summit Treks“, erstmals auf Facebook, dass es eine Everest-Winterexpedition geben werde, zwischen dem 1. Dezember 2018 und dem 28. Februar 2019. Fünf Kunden stünden bereits fest, für alle weiteren Interessierten sei die „Plattform jetzt offen“. Insgesamt werde das Team mehr als 30 Mann stark sein, so Tashi. Wenig später schrieben auch „Seven Summit Treks“ und der als „Co-Partner“ genannte Veranstalter „Arnold Coster Expeditions“ das Winterprojekt aus. Interessant war, dass die einleitende Passage abgeändert wurde: „Herzlich willkommen, aber du solltest erfahren sein“, hieß es zunächst , dann „Herzlich willkommen, wenn du einen weniger bevölkerten Everest und ein größeres Abenteuer erleben willst“. Als Preis nannte Tashi Lakpa Sherpa Anfang Juli auf Facebook 38.000 Dollar pro Person. Das Permit für eine Besteigung des Everest ist übrigens im Winter deutlich billiger als im Frühjahr: 2750 statt 11.000 Dollar pro ausländischem Bergsteiger.

Txikon: „Es hat mich abgeschreckt“

Alex Txikon will am Everest Einsamkeit erleben dürfen

Danach wurde es still um die geplante kommerzielle Everest-Winterexpedition – bis der Spanier Alex Txikon vor einer Woche der Internetplattform „explorersweb.com“ ein Interview zu seinen Winterplänen gab. Er werde diesmal einen Bogen um den Everest machen, sagte der 36 Jahre alte Spanier, der 2016 zu den Wintererstbesteigern des Nanga Parbat gehört hatte und in den vergangenen beiden Wintern vergeblich versucht hatte, den Mount Everest ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. „Ganz ehrlich, die Aussicht, eine kommerzielle Expedition mit am Berg zu haben, hat mich abgeschreckt“, so Alex. „Es ist die absolute Einsamkeit, die den Everest im Winter so einzigartig macht und seine Besteigung so herausfordernd. Deshalb, bei allem Respekt, werde ich mich lieber nach einem anderen Ziel für meine nächste Winterexpedition umsehen.“

Noch keine Antwort

Arnold Coster

Txikon bezog sich ganz offensichtlich auf die Ankündigung Ende Mai, da auch er von bisher fünf Kunden sprach, die als Teilnehmer der kommerziellen Expedition feststünden. Ich habe versucht, mehr herauszufinden. Auf den Internetseiten von „Seven Summit Treks“ und „14 Peak Expedition“ sucht man vergeblich nach Hinweisen auf die Winterexpedition. Bei „Arnold Coster Expeditions“ wurde ich fündig. “Begleite mich in diesem Winter auf den Everest, um ihn abseits der Massen zu besteigen … ein wahres Abenteuer“, steht dort geschrieben. Die weiteren Informationen, zu denen ein Link führt, scheinen jedoch der Ausschreibung zu einer ganz „normalen“ Everest-Expedition entnommen zu sein und enthalten keinen Hinweis auf die besonderen Herausforderungen im Winter. Meine Fragen an Mingma Sherpa, den Chef von „Seven Summit Treks“, und an Arnold Coster nach dem aktuellen Stand des Projekts blieben bisher unbeantwortet.

Letzter Erfolg vor 25 Jahren

Während der Mount Everest inzwischen mehr als 9000-mal bestiegen worden ist, nehmen sich die bisher 15 Gipfelerfolge im meteorologischen Winter eher bescheiden aus. Für die Wetterforscher beginnt die kalte Jahreszeit bereits am 1. Dezember, während der kalendarische Winter erst mit der Wintersonnenwende am 21. oder 22. Dezember startet.

Everest-Südwestwand

29 Everest-Winterexpeditionen sind bisher in der Bergsteiger-Chronik „Himalayan Database“ verzeichnet, 21 davon vor 1990. So versuchten sich alleine im Winter 1985 gleich vier Expeditionen am höchsten Berg der Erde: drei südkoreanische auf unterschiedlichen Routen (Normalweg über den Südsattel, Westgrat und Südwestwand) und ein japanisches Team (Hornbein-Couloir). Insgesamt waren nur fünf Winterexpeditionen am Everest erfolgreich – zuletzt 1993, als sechs Bergsteiger eines japanischen Teams die Südwestwand durchstiegen und am 18. Dezember den höchsten Punkt auf 8850 Metern erreichten.

Der Einzige, der den höchsten Berg der Erde bisher im Winter ohne Atemmaske bestieg, war Ang Rita Sherpa am 22. Dezember 1987. Das Wetter an jenem Tag war ungewöhnlich gut. Die große Kälte im Winter sorgt normalerweise dafür, dass der Luftdruck im Gipfelbereich noch weiter absinkt. Ein Aufstieg ohne Atemmaske liegt dann im absoluten Grenzbereich des Möglichen.

Datum

24. Oktober 2018 | 17:24

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