Keine Expedition wie jede andere
Rätsel gelöst? Genau, auf dem Osterei war die – selbstverständlich detailgetreue – Abbildung der Mount-Everest-Nordwand zu sehen. Sie liegt auf der tibetischen (Viele Grüße an den chinesischen Zensor!) Seite des mit 8850 Metern höchsten Bergs der Erde. Vor fünf Jahren verbrachte ich dort im Basislager am zentralen Rongbuk-Gletscher auf 5500 Metern rund drei Wochen. Nach drei Trekkingtouren im Himalaya und Karakorum war es war meine erste Expedition, die ich als Reporter begleitete.
Hiro wieder gesund
Die Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner, der Deutsche Ralf Dujmovits und der Japaner Hirotaka Takeuchi hatten sich vorgenommen, die Nordwand über die sogenannte „Supercouloir“-Route zu durchsteigen. Auf meinem Ei erkennt ihr diese Kombination von Rinnen als den nach oben verlaufenden Strich rechts der Ei-Mitte. 2005 verhinderte der starke Wind, dass die drei Bergsteiger ihren Plan in die Tat umsetzen konnten. Sie wichen auf die tibetische Normalroute aus. Auf 7650 Meter Höhe erkrankte Hiro an einem lebensbedrohlichen Höhen-Hirnödem. Nach einer dramatischen Nacht gelang es Gerlinde und Ralf, ihren japanischen Freund vom Berg zu bringen.
Ralf und Gerlinde bringen Hiro 2005 zurück ins Basislager
Hiro ist wieder vollständig genesen. In den vergangenen Jahren bestieg er fünf weitere Achttausender und schickt sich an, als erster Japaner die Sammlung zu vervollständigen. Ralf gelang dieses Kunststück als erstem Deutschen 2009 mit der Besteigung des Lhotse. Seiner Frau Gerlinde fehlen nur noch zwei 8000er: die beiden höchsten Berge der Welt, der Mount Everest und der K 2.
Kaum jemand an der Nordwand
Zurzeit sind Ralf und Gerlinde wieder auf dem Weg zur Everest-Nordwand. „Seit ich die Wand in natura gesehen habe, weiß ich, dass ich dort wahnsinnig gerne durchsteigen möchte“, schwärmte Gerlinde, als ich die beiden in Bühl im Schwarzwald kurz vor ihrer Abreise nach Asien besuchte. „Außerdem ist es die direkteste Linie auf den Gipfel. Und es sind kaum oder gar keine Leute dort.“ Ralf bestieg den Everest 1992 über die nepalesische Seite. Als einzigen 8000er mit Atemmaske, diesen „Makel“ will er jetzt beseitigen. Erst dann, so der 48-Jährige, betrachte er seine 8000er-Sammlung als wirklich vollständig.
Ralf und Gerlinde zu Hause in Bühl
Gruß an die Schneehühner
Wie die beiden vorwärts kommen, ob ihnen ihr Vorhaben gelingt, könnt ihr hier verfolgen. Ralf will mich mit Informationen und Bildern versorgen, die ich dann umgehend weiterleite. Natürlich ist diese Expedition für mich eine besondere. Zum einen schätze ich Gerlinde und Ralf sehr. Zum anderen habe ich 2005 die tibetische Seite des Everest selbst kennengelernt, in einem einsamen Basislager, abseits der Massen auf den Normalwegen. Eigentlich brauche ich nur die Augen zu schließen, um mich wieder in mein Zelt auf dem Rongbuk-Gletscher zu versetzen und die Schneehühner zu hören. Ich habe Gerlinde und Ralf gebeten, sie von mir zu grüßen. Warum ich diesmal nicht dabei bin? Irgendwer muss die Abenteuer ja auch bezahlen.
Deutsche Welle „Im Gespräch“: Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits