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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Dr. Abenteuermann

Der Mann ist der lebende Beweis dafür, dass jemandem ein Doktortitel nicht anzusehen sein muss: Dreitagebart, die wenigen noch verbliebenen Haare zum Mini-Zopf geflochten, Jeans und T-Shirt. So treffe ich Dr. Frank Hülsemann an seinem Arbeitsplatz im Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln an. Eigentlich verwunderlich, dass wir uns in einem Büroraum verabredet haben. „Zwischendurch muss ich ja auch mal arbeiten“, sagt der 38-Jährige mit einem breiten Grinsen. Hülsemann ist Chemiker und entwickelt unter anderem neue Dopingtestverfahren. Einmal im Jahr aber macht er sich auf Achse. Die Liste seiner Expeditionen, nachzulesen auf seiner Homepage, kann sich sehen lassen. So radelte er im Jahr 2000 auf den Spuren der historischen Seidenstraße von Xian in China nach Istanbul in der Türkei, 12800 Kilometer in vier Monaten. 2008 durchquerte er zu Fuß die Atacama-Wüste im Norden Chiles, 600 Kilometer in 24 Tagen.


Frank Hülsemann am Arbeitsplatz in der Sporthochschule Köln

Das dicke Ende

Vor zwei Wochen ist Hülsemann von einem neuen Abenteuer zurückgekehrt. Mit Markus de Marées, einem Kollegen an der Sporthochschule, und André Hauschke hat er versucht, mit dem Mountainbike in wenigen Tagen von Meereshöhe auf 6000 Meter hinaufzufahren. Der Rekordversuch gelang: Hauschke stoppte erst auf 6085 Metern, es war die höchste Höhe, die jemals mit einem Fahrrad komplett fahrend erreicht wurde. Das Trio startete am Pazifik und radelte dann bis hinauf in den Gipfelbereich des Ojos del Salado. Mit 6893 Metern ist der höchste Vulkan der Erde, der an der Grenze zwischen Chile und Argentinien liegt, gleichzeitig auch der zweithöchste Berg Südamerikas nach dem Aconcagua. Die ersten 300 Kilometer vom Pazifik hinauf seien zwar sehr anstrengend, weil stetig ansteigend gewesen, aber nicht extrem. „Das kann jeder gute Reiseradler fahren“, so Hülsemann. „Doch auf den letzten 50 Kilometern geht es richtig zur Sache. Da wird es eigentlich mit jedem Kilometer härter.“


(v.l.) Hülsemann, de Marées und Hauschke

Erste Symptome der Höhenkrankheit

Hülsemann und de Marées mussten kurz vor der 6000-Meter-Marke stoppen. Trotz einer Akklimatisierungsphase vor dem Rekordversuch zeigten sich bei ihnen erste Symptome der Höhenkrankheit. „Während Bergsteiger relativ langsam unterwegs sind und mit der Geschwindigkeit runtergehen können, hatten wir dazu auf dem Rad keine Möglichkeit“, erklärt der Sportwissenschaftler. „Wir mussten eine bestimmte Trittfrequenz und Geschwindigkeit erreichen, um uns auf dem Rad zu halten. Das bedeutete, dass wir unseren Organismus immer extrem belastet haben.“ Als sich Kopfschmerzen, Schwindel und Husten einstellten, zog Hülsemann die Reißleine. „Wäre ich weitergefahren, hätte es schlimmer enden können.“ Nur 35 Höhenmeter fehlten ihm bis zur 6000-Meter-Grenze.

Eher Ausdauersportler als Bergsteiger

Für sich persönlich hat Frank Hülsemann aus dieser Expedition gelernt, „dass ich nicht so der Bergsteiger bin, eher der Ausdauersportler, der lange Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegt.“ Derzeit werden an seinem Institut die Blutwert-Messungen und Urinproben analysiert, die Hülsemann und Co. während ihrer Tour genommen haben. Denn so ganz lässt Frank Hülsemann den Wissenschaftler in sich dann doch nicht zu Hause, wenn er zu seinen Abenteuern aufbricht.

Interview mit Frank Hülsemann

Datum

4. Mai 2010 | 10:46

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