Auf dem Weg zum K 2 (Teil 4): Magischer Moment
Es war dieser magische Weihnachtsaugenblick: Einen Tag lang war das Wohnzimmer Tabu-Zone gewesen. Die Tür abgeschlossen, das Oberlicht mit einer Wolldecke verhängt. Ungeduldig und neugierig warteten wir Kinder darauf, hinein zu dürfen. Dann endlich war es so weit. Wir betraten den geheimnisvollen Raum. Und alles war wie immer: das Kerzenlicht, der liebevoll geschmückte Baum, die Geschenke darunter. Dieser Moment war für mich immer der schönste an Weihnachten.
Rast auf dem Gletscher
Nicht mehr Bremsklotz
So ähnlich erging es mir auf dem Baltoro-Gletscher in Goro, 4500 Meter hoch. Als wir in Urdukas aufgebrochen waren, hatten sich die Berge wieder hinter dichten Wolken verborgen. Während wir die Zelte abbauten, schneite es heftig. Und es hörte auch nicht auf, als wir uns auf den Weg machten.
Wie an einer langen Schnur aufgefädelt zogen Träger, Bergsteiger und Trekker über den Gletscher. Der Neuschnee verwandelte die Stein- in eine Schneewüste. Der halbe Rasttag hatte mir gut getan. Die Durchfall-Erkrankung war ausgestanden, die Kräfte kehren zurück. Die Akklimatisierung machte Fortschritte. Erstmals fühlte ich mich nicht mehr als Bremsklotz.
Schlaflos in Goro
Nach sechs Stunden erreichten wir das Lagerplatz Goro. Es schneite noch immer.
Mehr ahnen als sehen
Ich war völlig durchnässt, auch die feuchte Ersatzkleidung im Seesack brachte kaum Linderung. In der Nacht sank das Thermometer auf minus 15 Grad. Die Bergstiefel froren am Zeltboden fest. Die Kälte kroch durch die Schlafmatte, den Schlafsack und erreichte meinen Körper. Egal wie ich mich drehte und rollte, ich fror – und bereute, dass ich vor meiner Tour nicht mehr Wert auf die Qualität meiner Ausrüstung gelegt hatte.
Endlich!
Irgendwann siegte aber doch die Müdigkeit. Kurz vor fünf Uhr wurde ich aus meinem leichten Schlaf gerissen. Jemand klopfte aufgeregt auf mein Zelt. „Man from Germany, wake up! Masherbrum without clouds!“ Es war ein Japaner, mit dem ich am Abend zuvor vergeblich darauf gewartet hatte, dass sich der Fast-Achttausender einmal ohne Wolkendecke zeigte. Ich kroch aus dem Zelt.
Wild und schön – der Masherbrum, 7821 Meter hoch
Und endlich, nach fünf Tagen, konnte ich erstmals die fantastischen Berge entlang des Baltoro-Gletschers bestaunen, an denen ich vorbeigewandert war, ohne sie zu sehen. Das Fenster hatte sich geöffnet – wie früher die Wohnzimmertür an Weihnachten. Ein magischer Moment.