Auf dem Weg zum K 2 (letzter Teil): Traumberg, Berg meiner Träume
„Ciao“, erscholl es aus allen Ecken. Zeitgleich mit uns traf die italienische K 2-Expedition im Basislager ein. Mehrmals hatten wir uns in den vergangenen Tagen auf dem Gletscher getroffen. Mit ihrer aufschäumenden Lebensfreude, Herzlichkeit und Gastfreundschaft waren mir die Italiener ans Herz gewachsen.
Riesen-Tipi
Das Basislager am K 2 hatte 2004 fast die Ausmaße der Lager auf beiden Seiten des Mount Everest. In einem langen, breiten Streifen stand Zelt an Zelt. Nicht zu übersehen war, wo die größte Gruppe untergebracht war: Die „Casa Italia“, ein rund zehn Meter hohes spitzes Zelt, das wie ein überdimensionales Tipi aussah, bildete das Zentrum des italienischen Camps.
Blick aus dem Zelt auf den König der Achttausender
Mein Zelt stand nicht weit entfernt. Ich aß jedoch mit den Mitgliedern eines internationalen Teams, das eigentlich gar keines war. Ein durchaus übliches Verfahren an den Achttausendern: Um sich die Kosten für die teure Expeditionsgenehmigung der Regierung, das „Permit“, zu teilen und die Organisation der Anreise, des Materialtransports und der Verpflegung in dritte Hände zu geben, schließen sich kleinere Gruppen zu einer großen zusammen. Als ich im K 2-Basislager eintraf, waren einige Bergsteiger dieser bunt gemischten Truppe im Aufstieg, einige erholten sich von ihren ersten Erkundungstrips.
Baskischer Schafskäse
Ich lernte vier Basken kennen, darunter auch Inaki Ochoa (Der sympathische Bergsteiger erreichte 2004 den Gipfel des K 2. 2008 starb Inaki im Alter von 40 Jahren an der Annapurna-Südwand an einem Höhenlungenödem). Wie die Italiener nahmen mich auch die Basken gleich auf, als wäre ich einer von ihnen. Sie tischten Schinken, Schafskäse und eine besondere Süßigkeit aus ihrer Heimat auf. Zu dieser Gruppe gehörte auch Peter Guggemos. Der Allgäuer aus Marktoberdorf war der einzige deutsche unter rund 150 Bergsteigern, die sich in diesem Jahr am K 2 versuchten. Die Liste der Deutschen, die den zweithöchsten Berg der Erde bestiegen hatten, war noch kurz: Sechs erreichten den Gipfel, zwei starben beim Abstieg. „Vielleicht gibt es in Deutschland einfach zu wenige gute Bergsteiger“, sagte Peter und grinste. „Der Berg hat seine Tücken. Es sind nur relativ wenige, die das Glück haben, im ersten Anlauf heraufzukommen.“
Gedenkstelle für die Opfer des K 2, hinten der Broad Peak
Neunmal vergeblich
Der damals 46-Jährige war 2004 bereits zum dritten Mal am K 2 (Auch diesmal sollte er ohne Gipfelerfolg abreisen). Darüber konnte Abdul Karim sicher nur lächeln. Ich hatte den legendären pakistanischen Bergsteiger, den alle wegen seiner kleinen Körpergröße nur „Little Karim“ nannten, am Concordiaplatz getroffen. Neunmal hatte er sich vergeblich am Chogori versucht, einmal nur 25 Höhenmeter unter dem Gipfel umkehren müssen. „Ein sehr schwieriger Berg“, meinte Little Karim lakonisch. Und ein gefährlicher dazu. Im Schnitt kommt auf vier Besteigungen des K 2 ein Todesfall (Stand Ende 2009: 302 Besteigungen, 78 Todesfälle). Damit ist der Berg der zweitgefährlichste hinter der Annapurna.
Um den Gedenkplatz für die Opfer des K 2 zu erreichen, musste ich auf eine kleine Felsschulter klettern. An einem Steinhaufen waren Gedenktafeln angebraucht, die meisten in Form von Alu-Küchentellern, in die Expeditionskameraden Namen und Todesdatum der Verunglückten eingekerbt hatten.
Schlafloser Gletscher
Ich musste an meinen kleinen Ausflug dorthin denken, als ich wenige Stunden später im Zelt in den Schlafsack kroch. Die Stille wurde vom Knirschen und Knacken des Gletschereises unter mir durchbrochen. Der Gletscher schlief nicht. Was, wenn sich jetzt eine Spalte öffnete? Ich fand nur schwer Ruhe, schlief dann aber doch ein. Als mich am nächsten Morgen die ersten Sonnenstrahlen weckten, ich das Zelt öffnete und auf den K 2 blickte, erinnerte ich mich an die Worte des bekanntesten pakistanischen Bergsteigers, Nazir Sabir, den ich in Islamabad getroffen hatte. Nazir hatte als erster Pakistaner den Mount Everest (2000) und als Zweiter seines Heimatlandes den K 2 (1981) bestiegen. „Der K 2 wird immer einer meiner wunderschönsten Träume bleiben“, hatte mir der damals 49-Jährige gesagt. Und jetzt war ich wirklich hier, an diesem Traumberg, dem Berg auch meiner Träume.
Radio-Reportageserie (2004): Auf dem Weg zum K 2 (letzter Teil)