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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Wo bleibt Gerlindes verdienter Lohn?

Kann man sich einen Berg verdienen? Wenn es danach ginge, müsste Gerlinde beim nächsten Anlauf auf den Gipfel des K 2 schweben, leicht wie eine Feder, ohne einen Tropfen Schweiß zu vergießen. Fünfmal war die 39-Jährige nun schon auf oder oberhalb der knapp 8000 Meter hohen Schulter des Bergs, fünfmal musste sie umkehren. Stets waren es das Wetter oder die Verhältnisse am zweithöchsten Berg der Erde, nie eigene Schwäche, die Gerlinde zwangen, auf die letzte Etappe bis zum 8611 Meter hohen Gipfel zu verzichten.


Gerlinde am K 2 in luftiger Höhe

Destruktiver und konstruktiver Sturm

Auch bei ihrem ersten Versuch in diesem Jahr wurden Gerlinde und Ralf von den äußeren Umständen gestoppt. Zunächst verlief alles nach Plan. Trotz tiefen Schnees und starken Winds erreichten sie ihren ersten Biwakplatz auf 6300 Metern. Die Nacht verlief stürmisch. Am Abruzzengrat, der „Normalroute“ am K 2 (wenn man davon überhaupt reden kann), zerfetzte der Wind die Zelte. Die Bergsteiger, die dort unterwegs waren, mussten absteigen.
Auf der Česen-Route arbeitete der Sturm zunächst konstruktiver: „Der Schnee war komplett verblasen, sodass wir bis 7100 Meter gute Verhältnisse vorfanden“, schreibt Ralf im Expeditionstagebuch. „Zwar blieb uns jegliche Sicht verwehrt und es war sehr kalt, aber wir kamen gut voran und waren voller Hoffnung, dass sich das Wetter bessern würde.“

Mystische Momente und ein Verhauer

Genau das hatte Charly Gabl, der Wetterexperte aus Innsbruck, vorausgesagt. Und er behielt wieder einmal recht. Am nächsten Morgen hatte sich der Wind verzogen. „Im Licht der tief stehenden Sonne leuchteten die umliegenden und auch fernen Gipfel in einem schier unwirklichen Rot“, schwärmt Ralf. „Diese Momente – voller Mystik, Energie, Lebendigkeit – erfüllen unser Dasein unendlich.“


8000er Broad Peak (l.), Fast-8000er Chogolisa (r.)

Wären da nur nicht die vom Sturm aufgetürmten Schneemassen gewesen, die Gerlinde und Ralf bremsten. Zudem kamen sie kurzzeitig von der Route ab, ein „Verhauer“, der sie ebenfalls Zeit kostete. Mit Verspätung erreichte das Bergsteiger-Ehepaar den geplanten Lagerplatz unterhalb der Schulter. Beide diskutierten, ob die Zeit im Zelt ausreiche, um genügend Kraft für den weiteren Aufstieg zum Gipfel zu sammeln. Der in der Nacht wieder auffrischende Wind nahm ihnen die Entscheidung ab: Am nächsten Morgen brachen Gerlinde und Ralf ihr Zelt ab und stiegen in einem Zug bis ins Basislager ab.

Gerlinde kaum enttäuscht

Offenbar hat Gerlinde den neuerlichen Rückschlag einigermaßen verkraftet. Sie sei „kaum enttäuscht“, schreibt Ralf. „So ist sie: Vergangenes ist vergangen. Gedanklich war sie schon wieder mit den Vorbereitungen für den nächsten Versuch beschäftigt.“


Da kann man nichts machen!

Während die Mitglieder anderer Expeditionen frustriert die Heimreise angetreten haben, hoffen Gerlinde und Ralf, „dass wir noch eine zweite gute Chance bekommen werden – und diese dann auch nützen werden können.“ Verdient hätten sie es allemal. Der K 2 könnte zur Abwechslung wirklich einmal gerecht sein.

Datum

29. Juli 2010 | 15:47

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