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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Steve House, im Herzen ein Purist

„Du kraulst wie ein alter Kahn“, pflegte einst mein Sportlehrer zu mir zu sagen, wenn er mich schwimmen sah. Ähnlich verhält es sich mit meinem Englisch. Genug, um nicht unterzugehen, zu wenig, um zu glänzen. Dennoch, also auf die Gefahr hin, mich als Grammatikmuffel und Vokabelwinzling zu offenbaren, stelle ich euch unten mein Interview mit Steve House ohne Übersetzung bereit. In diesem Fall, glaube ich, ist es wirklich ein Mehrwert, den Spitzenbergsteiger aus den USA im Original zu hören, weil er bei unserem „Wander-Gespräch“ beim International Mountain Summit in Brixen extrem offen war.


Steve House, für Reinhold Messner der derzeit „weltbeste Extrembergsteiger“

Fleißiger Schutzengel

„Ich lag da zwei Stunden auf einem Felsvorsprung und merkte, wie mein Körper starb“, erzählt Steve über seinen 25-Meter-Sturz Ende März am 3547 Meter hohen Mount Temple in den kanadischen Rockies. „Da hatte ich plötzlich viel Zeit, über den Tod nachzudenken. Das hat mein Leben verändert. Ich habe meine Prioritäten verschoben, weg von mir selbst, hin zu den Menschen, die mir wichtig sind.“ Steves Schutzengel musste sich schon voll ins Zeug legen, damit der Kletterer seine schweren inneren Verletzungen überlebte: Fünf Rippen waren gebrochen, zwei davon doppelt, der rechte Lungenflügel zusammengeklappt. Dazu zwei kleinere Brüche an der Hüfte, fünf kleinere an den Wirbeln. „Körperlich fühle ich mich heute zu 80 Prozent wiederhergestellt“, sagt House.


Steves erste Tour nach seinem schweren Sturz

Wochenlang lag Steve nach seinem Sturz flach, vollgepumpt mit Medikamenten, erst im Krankenhaus, dann daheim. „Das war für mich eine völlig ungewohnte Erfahrung. Ich konnte mich nicht bewegen, weder ein Buch lesen, noch mir einen Film ansehen, nur nachdenken.“ Über sich selbst, sein Leben: „Jeder Kletterer muss sich fragen: Bist du wirklich nicht mehr als die Leistungen, die du am Berg gebracht hast? Was ist mit deinen Erfahrungen, deinen Beziehungen? Welchen Wert leistest du für die Gesellschaft?“

Ganz schön hart

Als er wieder laufen konnte, machte Steve einen radikalen Schnitt, fast so als wollte er komplett neu anfangen: Der 40-Jährige verlegte seinen Wohnsitz und trennte sich von seiner langjährigen Lebensgefährtin. Ich frage ihn, ob es schwieriger sei, einen Kletterpartner zu finden, als einen Menschen, mit dem man sein Leben teilt. Da gebe es durchaus Gemeinsamkeiten, sagt House. Am Anfang habe man „gleiche Ziele, gleiche Ideen, gleiche Leidenschaften. Aber dann ändert sich das Leben“. Vince Anderson etwa, mit dem er als Erster die Rupalwand am Achttausender Nanga Parbat im Alpinstil durchklettert hatte, sei fünf Jahre lang ein sehr guter Partner am Berg gewesen. Jetzt aber, so Steve, habe Vince einen Sohn, mit dem er mehr Zeit verbringen wolle, und gehe deshalb seltener auf Expedition. „Menschen verändern sich eben. Genauso verhält es sich mit einem Lebenspartner. Es ist relativ leicht jemand zu finden, der ein, zwei, drei oder fünf Jahre alles mit dir teilen will. Aber ein ganzes Leben?“ Dazu gehöre deutlich mehr: Miteinander wachsen, sich füreinander interessieren, sich herausfordern. „Gemeinsam älter und weiser zu werden, ist ganz schön hart“, sagt Steve und lacht.


Steve will seine Erfahrungen an junge Bergsteiger weitergeben

Lehrer in Fels und Eis

House ist wieder häufig in den Bergen unterwegs. Bei der ersten Tour mit zwei Freunden, einer leichten Kletterei, habe er ziemlich viel Angst gehabt, gesteht Steve. „Ich misstraute meinen Händen, meinen Füßen. Ich war so nervös.“ Das habe sich inzwischen aber wieder gelegt. Seine Träume hat Steve nicht aufgegeben: etwa die Westwand des Makalu zu durchklettern oder den Gipfel des K 2 erstmals über das so genannte Sichel-Couloir in der Westwand zu erreichen. An seinem Stil werde sich trotz des schweren Sturzes nichts ändern, verspricht House. „Im Herzen bin ich ein Purist. Ich will mit möglichst wenig Ausrüstung klettern. Nur das absolute Minimum soll mich vom Berg trennen. Das verschafft die reichhaltigsten Erfahrungen.“
Die möchte Steve künftig mit jungen Bergsteigern teilen, „aber nicht in einem Klassenraum. Wenn du Tausende von Tagen mit Klettern verbracht hast, lernt dein Körper Dinge, die du nicht beschreiben, sondern nur vormachen kannst.“ Dass Steve sein Können und Wissen nun vermehrt an die nächste Klettergeneration weitergeben will, hängt auch mit seiner Erfahrung vom Mount Temple zusammen, an der Grenze zwischen Leben und Tod. „Ich denke, ich hatte das vorher schon im Kopf. Aber durch meinen Sturz ist es schärfer hervorgetreten.“ Es scheint, als sähe Steve House in vielem nun klarer.

Interview mit Extrembergsteiger Steve House

P.S. Steves Buch „Jenseits des Berges“ hatte ich euch ja schon einmal empfohlen. Wirklich lesenswert!

Datum

29. November 2010 | 17:27

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