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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Erdbeben-Zeitbombe Nepal

Meine Gedanken sind bei den Menschen in Japan. Bei den wohl Tausenden, die bei dem Erdbeben und dem dadurch ausgelösten Tsunami ums Leben kamen. Bei ihren Familien, die ihre Liebsten verloren haben. Bei den Hunderttausenden, die ohne Obdach dastehen. Bei den Menschen im Umkreis des Atomkraftwerks Fukushima, die nach der Naturkatastrophe nun auch noch von einem GAU bedroht sind.
Kein Land der Welt war so gut auf ein großes Erdbeben vorbereitet wie das hoch entwickelte Japan. In Tokio schwankten die Hochhäuser, aber sie fielen nicht in sich zusammen, weil sie erdbebensicher gebaut sind. Die Zahl der Brände blieb überschaubar, da sich das Stromnetz vielerorts automatisch abschaltete. Doch trotz aller Vorkehrungen sind die Folgen des Bebens verheerend.


Der Durbar Square in Patan nach dem Beben von 1934

Schweres Beben überfällig

Was geschähe, wenn eine solche Katastrophe nicht den High-Tech-Staat Japan, sondern das Entwicklungsland Nepal träfe? Der Himalaya-Staat gilt als hochgradig erdbebengefährdet. Die Hauptstadt Kathmandu, rund 250 Kilometer südwestlich des Mount Everest, liegt ziemlich genau an der Nahtstelle der indischen und der eurasischen Platte. Statistisch wird Nepal alle 70 bis 80 Jahre von einem heftigen Erdbeben erschüttert – und ist damit überfällig. Die Zeitbombe tickt. Am 15. Januar 1934 kostete ein Beben der Stärke 8,4 auf der Richterskala etwa 8500 Menschen im Kathmandu-Tal das Leben. Damals zählte die Stadt jedoch nur rund 300.000 Einwohner, die meisten lebten in flachen Lehmziegel-Hütten. Heute beherbergt die Hauptstadt etwa drei Millionen Menschen. Die meisten wohnen in Betonhäusern, die von westlichen Baustandards Welten entfernt sind.

Geschätzte 40.000 Tote

Ein starkes Erdbeben hätte fatale Folgen. Eine 2004 veröffentliche Studie kam zu dem Ergebnis, das bei einem Beben wie 1934 heute im Kathmandu-Tal mindestens 40.000 Menschen ums Leben kämen. Die Zahl der Verletzten wird auf 100.000 bis 200.000 geschätzt. Sechs von zehn Gebäuden würden schwer beschädigt, 95 Prozent der Wasserleitungen, jede zweite Brücke. Die Krankenhäuser der Hauptstadt wären heillos überfordert. Hilfe von außen wäre schwierig, da Kathmandu nur über eher kleinen Flughafen verfügt, dessen Landebahnen wahrscheinlich auch in Mitleidenschaft gezogen wären.


Der Durbar Square heute

Duck down

Seit einigen Jahren gibt es in Nepal einen Erdbeben-Sicherheitstag. Am 15. Januar, dem 77. Jahrestag des Bebens von 1934, nahm Ministerpräsident Madhav Kumar medienwirksam an einer „Duck down“-Übung teil. Als das Warnsignal ertönte, duckte sich der Politiker auf den Boden und verschränkte die Hände als Schutz hinter dem nach unten gebeugten Kopf. Das sah putzig aus, würde aber kaum helfen, wenn darüber das Haus zusammenbräche. Ein Gesetz für erdbebensicheres Bauen ist angeblich in Arbeit. Die Regierung sollte sich sputen. Ein schweres Erdbeben in Kathmandu würde derzeit wohl unweigerlich in eine Katastrophe mit apokalyptischem Ausmaß münden. Ich mag es mir gar nicht ausmalen.

Datum

13. März 2011 | 14:11

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