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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Fukushiverest

Jeder Vergleich hinkt. Aber die Atomkatastrophe von Fukushima erinnert mich doch in einigen Facetten an die „Katastrophe“ am Mount Everest vor bald 15 Jahren. Damals, im Mai 1996, kamen innerhalb von 24 Stunden im Gipfelbereich acht Bergsteiger ums Leben. Wie heute in Japan breitete sich die Nachricht in Windeseile via Internet über den Globus aus. Nur die Live-Bilder fehlten noch.


Hybris

Das Drama fiel nicht vom Himmel. Menschliche Hybris bildete die Grundlage. Mit dem Slogan „Ich bringe jeden auf den Gipfel des Mount Everest“ warben damals die kommerziellen Veranstalter um Kunden. Sie redeten das Risiko klein, verwiesen Unglücke ins Reich des Unmöglichen. Wären sie ehrlich gewesen, hätten sie die Karten offen auf den Tisch gelegt: „Liebe Leute, der Mount Everest ist keine Düne, sondern der höchste Berg der Erde. Wir bewegen uns über 8000 Metern in der Todeszone, die nicht umsonst so heißt. Die kalkulierbaren Risiken sind im Ernstfall nur beherrschbar, wenn ihr über die nötigen Fertigkeiten und einen reichen Erfahrungsschatz verfügt. Und dann gibt es noch unvorhersehbare Situationen. Dieser Ausflug kann deshalb für euch tödlich enden.“

Fehlende Demut

Doch die Dollar-Noten vor dem geistigen Auge versperrten den Veranstaltern den Blick auf die Gefahren. Und ihre zahlenden Kunden, die nicht einmal die einfachsten Techniken beherrschten? Statt Demut vor dem höchsten aller Berge zu zeigen, malten sie sich bereits die Partys aus, bei denen sie sich nach der Expedition für ihren „Gipfelsieg“ feiern lassen würden. So bildeten sich dubiose Seilschaften: Vorneweg jene, die es besser hätten wissen müssen. Dahinter jene, die es nicht wissen wollten – und sich maßlos überschätzten. Die Seilschaften schlugen Warnungen in den Wind, ignorierten oder übersahen Alarmzeichen. Bis das Wetter kippte.

Wenig gelernt

Gelernt haben die Bergsteiger am Mount Everest aus der Tragödie von 1996 offenbar wenig. Auch heute tummeln sich in den Basislagern auf der Nord- und Südseite noch zahlreiche Kunden, die mangels Erfahrung auf diesem Berg eigentlich nichts zu suchen haben. Nach wie vor gibt es Staus an den Schlüsselstellen in der Todeszone. Wahrscheinlich war das Ausmaß des Unglücks, der Verlust von acht Menschenleben, einfach zu gering. Im Gegensatz zur Atomkatastrophe von Fukushima, deren Folgen noch gar nicht abzuschätzen sind. Aber schließlich hinkt ja jeder Vergleich.

Datum

22. März 2011 | 14:44

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