Putha Hiunchuli, ein (relativ) exklusiver Berg
Gespräche mit meinen Freunden, Verwandten und Bekannten laufen derzeit häufig nach folgendem Muster ab: „Welchen Berg willst du im Herbst besteigen?“ „Den Putha Hiunchuli in Nepal!“ Ratloser Blick. „Putha wer?“ Ich versuche es auf anderem Weg: „Hast du schon mal etwas vom Dhaulagiri gehört?“ „Mmh, ja, schon.“ Soll heißen: Mann, soll ich mir jetzt auch noch die Namen aller verfluchten Berge merken? Ich gehe darüber hinweg: „Der Putha Hiunchuli liegt im gleichen Massiv wie dieser Achttausender und wird deshalb auch Dhaulagiri VII genannt.“ Mein Gegenüber gibt endgültig auf: „Ach so!“ Keine Frage, es besteht Aufklärungsbedarf.
Hell oder Hintern?
Fangen wir mit dem Namen an. Hiunchuli bedeutet „Gipfel des schneebedeckten Bergs“ (him = schneebedeckter Berg, chuli = Gipfel). Noch immer habe ich das Rätsel „Putha“ nicht vollends lösen können. Immerhin aber habe ich eine Spur. Das Wort könnte aus dem Sanskrit stammen. Für „Puta“ gibt es in dieser Sprache viele Übersetzungen. Wäre es ein Adjektiv, könnte es „hell“ oder „glänzend“ bedeuten, was bei einem schneebedeckten Berg nicht abwegig erscheint. Als Substantiv käme die Bedeutung „Hinterteil“ in Frage, im Sinne von hinten gelegen.
Ausgezeichnete Alternative
Der Putha Hiunchuli ist nämlich der am weitesten westlich gelegene Berg des Dhaulagiri-Massivs – und der zuerst bestiegene. Am 11. November 1954 erreichten Jimmy Roberts und der Sherpa Ang Nyima den 7246 Meter hohen Gipfel. Eigentlich wollten sie den Dhaulagiri II besteigen, der ihnen dann aber zu schwer erschien. „Dann sah ich den Putha Hiunchuli, eine ausgezeichnete Alternative“, schrieb Roberts. „Ab einer Höhe von 21.000 Fuß (=6400 Meter) führt die Nordost-Wand, eine riesige, nur allmählich ansteigende Schnee- und Eisplatte, zum Gipfel auf 23750 Fuß.“ Über diese Flanke stiegen die beiden dann auch zum höchsten Punkt.
Lawinenunglück
Erst 18 Jahre später, im Frühjahr 1972, gelang einer japanischen Expedition die zweite Besteigung, diesmal über eine Route durch die Südwand und über den Südgrat. Ein Jahr später waren die ersten und bis heute einzigen Toten am Putha Hiunchuli zu beklagen. Am 12. Oktober 1973 wurde das auf 6400 Meter errichtete Lager einer japanischen Expedition, die über den Nordostgrat aufsteigen wollte, von einer Lawine verschüttet. Die beiden Japaner Mitsuo Deguchi und Samu Mizutani sowie der Leiter der Sherpas, Ang Nima, kamen ums Leben. Ihre Leichen wurden nicht gefunden.
Die Nordostflanke des Putha Hiunchuli
Seit 1996 wieder von Norden aus
1978 war der Berg erstmals Ziel einer kommerziellen Expedition: Eine große Gruppe des Deutschen Alpenvereins ging den Putha Hiunchuli von der Südseite an. 17 Bergsteiger und drei Sherpas erreichten den Gipfel. Die folgenden Expeditionen wählten allesamt den Weg über die Südroute. Erst 1996 wurde der Berg wieder auf dem Weg der Erstbesteiger, also über die Nordost-Flanke, bestiegen (seitdem fast immer). Damals gelang auch die erste Skiabfahrt vom Gipfel.
164 Besteigungen
Der Putha Hiunchuli ist bisher ein relativ exklusiver Berg geblieben. Das liegt nicht zuletzt an seiner Lage abseits der Touristenströme: im Dolpo, dem höchsten ständig bewohnten Gebiet Nepals. Um das Basislager am Fuße des Siebentausenders zu erreichen, bedarf es schon einer kleinen Expedition: Zwei Inlandsflüge und sechs Tage Trekking sind nötig. Bis heute (Stand Juni 2011) wurde der Putha Hiunchuli „erst“ 164 Mal bestiegen. Zum Vergleich: Der Gipfel des Mount Everest ist schon über 5000 Mal erreicht worden.