Über Büßereis und schmale Schneebrücken
„Alles ist bisher gut und rund gelaufen.“ Ralf Dujmovits ist hochzufrieden mit seiner Akklimatisationstour im Khumbu-Gebiet. Um sich auf den Mount Everest vorzubereiten, bestieg der 55-Jährige gemeinsam mit seiner Partnerin Nancy Hansen aus Kanada den 6440 Meter hohen Cholatse. Am vergangenen Donnerstag erreichten die beiden den Gipfel. Der Aufstieg über den Südwestgrat sei alles andere als leicht gewesen, schreibt mir Ralf: „Ein guter Teil der Route oberhalb des Sattels führt über steiles bis steilstes Büßereis. Sehr, sehr unangenehm zu klettern.“ Dujmovits rechnet damit, dass sich der Zustieg zum höchsten Punkt bald drastisch ändern wird. „Der Gipfelaufbau des Cholatse droht in den nächsten Jahren irgendwann einmal auseinanderzubrechen“, sagt Ralf. „Es gibt Spalten bis zum Gipfel. 30 Meter unterhalb des Gipfels muss man eine noch zwei Meter lange und einen halben Meter breite Schneebrücke überqueren. Wenn die auch noch einbricht, braucht man dort oben eine Leiter, um zum höchsten Punkt zu kommen.“
Abseilen im Whiteout
Dujmovits und Hansen verbrachten sechs Zeltnächte auf Höhen zwischen 5450 und 5750 Metern. „Da wir wegen des Material- und Verpflegungstransports quasi alle Etappen am Berg – außer dem Gipfelaufstieg – zweimal auf- und abgestiegen sind, haben wir auch eine perfekte Akklimatisation hinbekommen“, freut sich der einzige Deutsche, der bisher alle 14 Achttausender bestiegen hat. Ausgerechnet am Gipfeltag sei das Wetter umgeschlagen. „Am Gipfel um 13.15 Uhr hatten wir schon fast keine Sicht mehr, und der Abstieg bzw. das Abseilen erfolgte größtenteils im Whiteout. Sehr spannend. Erst eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit waren wir wieder zurück an unserem super ausgesetzten Minilagerplatz auf 5750 Metern.“
„Hoch motiviert und zuversichtlich“
Dujmovits will in diesem Frühjahr den Mount Everest von der tibetischen Nordseite aus ohne Flaschensauerstoff besteigen. Nach seiner erfolgreichen Everest-Besteigung 1992 – vom Südsattel aus mit Atemmaske – hatte Ralf sechsmal versucht, den höchsten Berg der Erde ohne zusätzlichen Sauerstoff zu besteigen, war aber aus unterschiedlichen Gründen ohne Gipfelerfolg heimgekehrt. Die Gipfel aller anderen Achttausender hatte er ohne Flaschensauerstoff erreicht. Jetzt blickt Ralf seinem „definitiv letzten Versuch“ am Everest optimistisch entgegen. „Ich bin nach der sehr positiven Erfahrung am Cholatse nun wirklich hoch motiviert, auf die Nordseite des Everest weiterzureisen, und sehr zuversichtlich, dass es auch klappen wird“, sagt Ralf. „Ich fühle mich topfit und gut vorbereitet.“