Dominik Müller: „Geballte Kompetenz im Basislager“
Die Everest-Bergsteiger stehen in den Startlöchern. In vier Wochen reist das Gros von ihnen Richtung Nepal und Tibet. Noch immer steht die verbindliche Entscheidung der nepalesischen Regierung aus, ob und wenn ja, in welcher Form die Besteigungsgenehmigungen der abgebrochenen Frühjahrsaison 2014 in diesem Jahr gelten. Mit dieser Frage muss sich Dominik Müller, Chef des deutschen Veranstalters Amical alpin, nicht herumschlagen. Der 43-Jährige leitet eine Expedition auf der tibetischen Nordseite des Everest. Zu seinem Team gehören neben „normalen“ zahlenden Kunden auch drei hochkarätige deutsche Profis. Ralf Dujmovits, der als bisher einziger Deutscher auf allen Achttausendern stand, will – gemeinsam mit der Kanadierin Nancy Hansen – den Everest ohne Flaschen-Sauerstoff besteigen. Das hat sich auch erfolgreiche Bergsteiger-Ehepaar Alix von Melle und Luis Stitzinger vorgenommen. Die beiden haben jeweils sechs Achttausender auf ihren Konten. Dominik Müller war als Expeditionsleiter bereits an sechs der 14 höchsten Berge der Welt unterwegs. Zweimal erreichte er den Gipfel des Cho Oyo. „Bei den anderen Expeditionen musste ich als Leiter meine persönlichen Interessen hintenan stellen“, erzählt mir Dominik. Diesmal am Everest könnte das anders werden.
Dominik, bald geht es los Richtung Mount Everest. Ist das für dich immer noch etwas Besonderes?
Eigentlich ist jeder Achttausender für mich etwas Besonderes. Aber der Everest ist zum einen eben der höchste Berg, zum anderen fordert er mich als Veranstalter besonders heraus, weil dort organisatorisch mehr dranhängt als an anderen Bergen.
Nach den Ereignissen auf der nepalesischen Südseite im vergangenen Jahr wurde und wird viel über den Everest diskutiert. Hast du irgendeine Änderung im Kundenverhalten feststellen können?
Von der Zahl der Nachfragen her nicht, wobei ich darauf hinweisen muss, dass wir die Südseite eben wegen der Gefahren auf der Route nicht im Programm haben, sondern nur die Nordseite. Aber tendenziell ist schon zu bemerken, dass mehr Leute auf die Nordseite gehen, weil mehr Veranstalter dort präsent sind. Ich denke, es hängt immer davon ab, wer bietet wo was an? Und dahin wird der Kunde gehen.
Haben die Chinesen die Preisschraube weiter angezogen?
Seit ein paar Jahren ist zu beobachten, dass die Chinesen die Preise nach oben schrauben, nicht nur am Everest, sondern auch an den anderen Acht-, Sieben- und Sechstausendern in Tibet. Sie versuchen einfach, das Maximum herauszuholen.
Du hast diesmal eine recht ungewöhnliche Gruppe beisammen. Es sind nicht nur zahlende Kunden, wie man sie normalerweise auf kommerziellen Expeditionen vorfindet, dabei, sondern es haben sich auch Profibergsteiger bei dir eingekauft: Ralf Dujmovits, Alix von Melle, Luis Stitzinger. Macht das diese Expedition zu einer speziellen?
Natürlich. Auf der einen Seite wollen die Profis sehr frei am Berg unterwegs sein. Auf der anderen Seite erwarten die Kunden die bestmögliche Betreuung. Das erzeugt schon ein kleines Spannungsfeld. Andererseits profitieren selbstverständlich auch die Nicht-Profis von diesen erfahrenen Leuten. So eine geballte Kompetenz in einem Basislager zu haben, das wird es so schnell nicht mehr geben.
Kannst du dich dann in deiner Verantwortung ein bisschen zurückziehen?
Nein, ich bin voll gefordert. Ich möchte sowohl den Kunden, als auch den Profis bestmöglich zur Seite stehen und alles Organisatorische regeln, auch Kleinigkeiten, die sich vor Ort ergeben.
Aber du darfst diesmal auch ein bisschen an dich selbst denken.
Mein Ziel ist es, den Everest ohne Sauerstoff zu versuchen. Wir haben eine sehr gute Begleitmannschaft, die unsere Kunden bestmöglich betreut. Von daher rechne ich mir schon etwas Freiheit für mich aus.
Ist es dein erster Versuch am Everest?
Ja. Ich werde, wenn ich die Zeit dafür finde, zusammen mit Alix von Melle und Luis Stitzinger aufsteigen. Mir ist wichtig, dass wir nicht als große Horde am Berg unterwegs sind, sondern in kleinen Teams. Dann kann sich jeder individuell akklimatisieren und sein Tempo gehen, je nachdem, wie es ihm geht. Das ist mit ein Schlüssel zum Erfolg an diesem Berg.
Stichwort Horde. Damit muss man am Everest immer rechnen. Habt ihr euch einen Plan zurechtgelegt, wie ihr die Massen umgehen könnt, einen „Trick 17“?
Einen richtigen Trick 17 kann es nicht geben, weil du immer von den Wetterbedingungen abhängig bist. Aber du kann schon leicht antizyklisch unterwegs sein, also bei einem Schönwetterfenster etwas früher oder später starten. Ein Vorteil der Nordroute ist auch, dass sich hier nicht so viel Stau bildet, weil du im Auf- und Abstieg besser überholen kannst. Es gibt weniger Engpässe als auf der Südseite.
Blicken wir in die Zukunft. Wenn du Prophet spielen solltest, was glaubst du, wie es in den nächsten Jahren am Everest weitergeht?
Schwer zu sagen. In Nepal ist relativ viel im Umbruch. Die Climbing Sherpas machen massiv Druck auf die Regierung. Ich begrüße das. Wir sind nur Gast in einem fremden Land sind, diese Leute müssen ordentlich versichert sein. Wie es mit der Route weitergeht, muss man sehen. Es wird diskutiert, ob man Leitern einsetzt oder auch, ob man zwei Routenstränge einrichtet, einen für den Aufstieg, einen für den Abstieg. Es stehen viele Ideen im Raum, aber konkret ist noch nichts.
Es gibt ja auch die Idee der Veranstalter, zumindest einen Teil der Lasten mit dem Hubschrauber nach Lager 1 oder 2 fliegen zu lassen. Wie stehst du dazu?
Das ist zwiespältig. Einerseits vertraut man auf Climbing Sherpas, andererseits würde man ihnen so die Arbeit abgraben. Sie leben schließlich auch von den Materialtransporten. Für mich ist eine Besteigung nur dann eine richtige Besteigung, wenn man sie ohne technische Hilfe von außen stemmt, also auch ohne Helikopter. Ob „by fair means“ oder mit Flaschensauerstoff, es gehört sich immer noch, dass man zu Fuß den Berg besteigt und auch wieder verlässt.
Gibt es immer noch Leute, die vorher nur ein, zwei Berge bestiegen haben und dann gleich auf den Everest wollen?
Wir bekommen solche Anfragen. Aber dann ist es die Pflicht von uns Veranstaltern, den Leuten zu sagen: Hör zu, du bist noch nicht so weit! Letztendlich geht es hier auch um das Leben der Leute. Man darf nicht um des Geldes willen einfach alles machen, sondern muss ehrlich beraten.
Aber eine einheitliche Linie unter den Veranstaltern gibt es nicht.
Genau das ist das Problem. Der Kunde sollte sich sehr genau überlegen, mit wem er auf Expedition geht. Er sollte prüfen, wie viel Erfahrung ein Veranstalter an den hohen Bergen hat und wie seriös er berät.
P.S. Ich verabschiede mich jetzt mal für eine gute Woche in die Berge, um meine Seele baumeln und die Ski laufen zu lassen. 🙂 Danach bin ich wieder für euch da. Und hier noch ein bisschen Everest zum Genießen und Träumen: