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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Auf der Jagd nach 7000er-Wänden

Hansjörg Auer

Hansjörg Auer neigt zur Brutalität – verbal, versteht sich! Und auch nur dann, wenn er von etwas erzählt, das ihn begeistert. „Es ist halt ein brutal schöner Berg und ein brutal geiles Ziel“, schwärmt der Topkletterer aus Österreich über den Kunyang Chhish East. Der Berg ist 7400 Meter hoch und liegt im Karakorum in Pakistan. Hansjörg hat den Nebengipfel des Kunyang Chhish (7852 Meter) – wie berichtet – im Sommer mit seinem Bruder Matthias und dem Schweizer Simon Anthamatten erstbestiegen. „Die Kombination Siebentausender, unbestiegen, mit einer so coolen Wand wie der fast 3000 Meter hohen Südwand, die gibt es halt nicht mehr so oft“, sagt der 29-Jährige. „Mich reizen genau diese Expeditionen, wo es am meisten Fragezeichen gibt. Dann wird es interessant und bleibt spannend.“

Hansjörg Auer über den 7000er Kunyang Chhish East

Brüderliches Gipfelglück

Dem Trio gelang der Aufstieg auf den bis dahin noch jungfräulichen Gipfel über eine äußerst anspruchsvolle Route durch die Südwand. Die beiden US-Spitzenkletterer Steve House und Vince Anderson (die 2005 als Erste im Alpinstil durch die mächtige Rupalwand des Nanga Parbat geklettert waren) hatten 2006 am Kunyang Chhish East rund 300 Meter unter dem Gipfel umkehren müssen. Auer freut sich besonders, dass er den Erfolg im Karakorum gemeinsam mit seinem Bruder feiern durfte. Matthias stehe „mehr im Leben als ich, mit Fast-Familie und Haus bauen. Deshalb war das sicher eine seiner letzten größeren Aktionen“, glaubt Hansjörg. „Mir hat es schon richtig getaugt (für alle Nichtösterreicher: gefallen), dass er mit oben war.“

Schlimme Nachricht verdrängt

Am Gipfel des Kunyang Chhish East

Die Auer-Brüder und Anthamatten widmeten ihren Erfolg den elf Opfern des Mordanschlags am 120 Kilometer Luftlinie entfernten Achttausender Nanga Parbat. Die Nachricht davon hatte sie im Basislager während der Akklimatisierungsphase erreicht. „Man kann sich so etwas einfach nicht vorstellen. Wenn du gerade selbst im Basislager bist und denkst, jetzt kommen da so Typen und erschießen dich, ist das natürlich schon zach (für alle Nichtösterreicher: krass)“, erinnert sich Hansjörg. „Aber wir sind dann doch gestartet und haben es so gut wie möglich verdrängt.“ Einen Bogen um Pakistan zu machen, kommt für Auer nicht in Frage. „Man kann deswegen doch nicht sagen, wir fahren nicht mehr nach Pakistan. Es ist hoffentlich eine einmalige Sache gewesen.“ Die Gründe für den Anschlag lägen nicht bei den Alpinisten, sondern viel tiefer. „Man muss schauen, wie man das lösen kann.“

Hansjörg Auer: Ursachen des Anschlags liegen viel tiefer

Hansjörg Auer will 2014 wieder in den Karakorum zurückkehren. Sein Ziel: wieder ein Siebentausender, eine noch nicht durchkletterte, technisch schwierige Wand. Mehr verrät er nicht. Vielleicht meint er ja die Masherbrum-Ostwand. David Lama hatte mir gegenüber angedeutet, dass sein Landsmann möglicherweise zum Team stoßen werde.

Anderes Kaliber

Die großen Wände an den Achttausendern sind für Auer kein Thema. Noch nicht. Diese Wände, sagt Hansjörg, seien „noch einmal ein anderes Kaliber. Da muss man sich viel Erfahrung an den Siebentausendern holen, dann kann man erst die wirklich zachen Partien auf die Achttausender machen.“ In sehr großer Höhe sei vor allem die psychische Herausforderung extrem. „Was zum Beispiel Ueli Steck jetzt an der Annapurna gemacht hat, die Südwand solo, ist extrem gut. Der größte Back-up, den du als Kletterer hast, ist normalerweise dein Partner. Und den gibt es bei einem Solo nicht. Du bist da oben so exponiert, ausgeliefert. Das musst du erst einmal mental verarbeiten und dann auch noch die Leistung bringen.“ Und da ist es auch wieder, Hansjörgs Lieblingswort: „Das ist ein brutaler Einsatz, du musst einfach alles geben.“

Hansjörg Auer: Mentale Herausforderung ist extrem

Datum

15. November 2013 | 13:00

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