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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Zwei Paare, zwei Geschichten

Letztes Essen im 'Dom' (l. Brigitte und Hans)

Oberhalb des Basislagers grasen bereits die Yaks, die morgen unser Gepäck zurück nach Kakkot bringen werden. Die Zeichen stehen auf Abstieg. Wir verlassen den Putha Hiunchuli. Brigitte und Hans haben beide den Gipfel erreicht. Das war nicht selbstverständlich. Das Paar hatte sich vorgenommen, von Lager 2 in einem Zug knapp 1200 Höhenmeter bis zum Gipfel aufzusteigen.

Ziemlich tot

Unterhalb unseres Lagers 3 hatte Hans, sonst immer der Schnellste innerhalb des Teams, einen Schwächeanfall. „Ich war kurzzeitig ziemlich tot“, sagt Hans, „Krämpfe im Unterleib, Kreislaufprobleme, Schüttelfrost.“ Seine Freundin erlebte den Moment so: „Auf einmal schreit er mich an: ‚Ich habe keinen Bock mehr zu spuren’ und schmeißt sich in den Schnee. Es gehe ihm so schlecht und er wolle umkehren. Da war ich ganz streng und habe gesagt: ‚Das kommt gar nicht in Frage.’“ Brigitte überzeugt Hans, dass er sich in Lager 3 erholen und später entscheiden solle, ob er weiter aufsteige oder nicht. Brigitte stapft mit mir los. Den Rest habe ich euch bereits berichtet. Ich kann ihr nicht folgen. Ebenso wenig Hans, der sich nach einer Weile erholt hat und in atemberaubendem Tempo zu der großen Gruppe aufschließt. Für Brigitte und Hans war es der emotionalste Moment im Aufstieg. „Als Hans kam, habe ich nur noch geheult und ihn in den Arm genommen“, erinnert sich Brigitte. „Und dann war klar: Jetzt geht es zum Gipfel.“ Mit Pemba erreichen sie als Erste den höchsten Punkt. „Ich glaube, das war das Härteste, das ich je gegangen bin. Brutal“, sagt Hans. „Es war ein ganz harter Brocken. So etwas brauche ich so schnell nicht mehr.“

Hans fand es brutal, Brigitte kämpfte sich durch

Mit künstlicher Hüfte auf den Gipfel

Brigitte und Helmut

Ganz anders, nämlich getrennt, erlebte das Ehepaar Eibl den Gipfeltag. Brigitte im Basislager, Helmut im Anstieg. „Ab zwei Uhr habe ich nicht mehr geschlafen und nur noch an euch gedacht“, erzählt Brigitte und kämpft mit den Tränen. Erst als Pemba im Basislager eintrifft, erfährt sie, dass auch ihr Mann den Gipfel erreicht hat. „Ich habe diesen Berg eindeutig unterschätzt“, gesteht Helmut. „Er ist ja fast als Skiberg verkauft worden. Aber er war wirklich sehr, sehr anstrengend.“ Der 59-Jährige hat bereits die Achttausender Cho Oyu, Shisha Pangma und Broad Peak bestiegen, musste sich aber vor eineinhalb Jahren eine künstliche Hüfte einsetzen lassen. „Da wollte ich ausprobieren, wie weit es noch geht“, sagt Helmut. „Ein paar Mal habe ich daran gedacht umzudrehen, aber der Wille hat mich weiter geführt.“ Helmut strahlt über das ganze Gesicht.

Helmut hat sich sehr angestrengt, Brigitte gebangt

Beleidigte Finger

Abschied vom Basislager

Auch Herbert ist hochzufrieden: „Die Stimmung im Team ist ganz ausgezeichnet. Es gibt überhaupt keinen Neid, keine Missgunst“, freut sich der Expeditionsleiter. Das sei nicht selbstverständlich, wenn ein Teil der Bergsteiger den Gipfel erreicht habe, ein Teil nicht. Bis auf einige kleine Blessuren seien alle gesund ins Basislager zurückgekehrt. „So mancher hat jetzt ein paar beleidigte Finger“, sagt Herbert. „Aber das muss man in Kauf nehmen.“ Der starke Wind am Gipfelgrat habe ihn überrascht. „Da kamen wir auf eine gefühlte Temperatur von minus 50 Grad.“ Der Putha Hiunchuli habe der Gruppe wirklich alles abverlangt. „Es gibt eben keine leichten Berge und schon gar keine leichten Siebentausender“, resümiert unser Expeditionsleiter. Noch wirkt Herbert sehr konzentriert. „So richtig wird mir erst in Kathmandu ein Stein vom Herzen fallen“, sagt der Österreicher. „Dann mache ich mir ein Bier auf und atme tief durch.“

Expeditionsleiter Herbert ist rundum zufrieden und glücklich

P.S. Jetzt bin ich wirklich optimal akklimatisiert. Ein Test mit dem Pulsoxymeter ergab eine Sauerstoffsättigung in meinem Blut von 96 Prozent bei einem Puls von 69 Schlägen in der Minute. Traumwerte in Mont-Blanc-Höhe. Wie oft ich mich beim viertägigen Rückweg nach Juphal melden kann, weiß ich noch nicht. Ich werde von Zeit zu Zeit ein GPS-Signal absetzen, so dass ihr auf der rechten Seite des Blogs sehen könnt, wo wir gerade sind. In Kakkot, wo wir erst spät am Tag eintreffen werden, will ich unbedingt Bilder in den Blog einfügen. Also schaut morgen mal nach.

Datum

23. Oktober 2011 | 15:00

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