Gelesen: Expeditionen
Mit diesem Schinken kannst du auch Einbrecher in die Flucht schlagen. Gut zwei Kilogramm bringt der Bildband „Expeditionen. Extremklettern am Ende der Welt“ von Stefan Glowacz auf die Waage. Aber nicht nur deswegen lege ich euch dieses Schwergewicht ans Herz. Mir hat dieses Buch einfach Spaß gemacht. Dabei war ich eher skeptisch, als ich es erstmals in Händen hielt. Normalerweise blättere ich Bildbände, die meist nicht gerade preiswert sind, durch und denke mir: Ganz nett, aber sehe ich mir die Bilder wirklich später noch einmal an? Bei diesem Buch erging es mir anders.
Ausgehungerte Abenteurer
Schon die erste Reportage über eine Expedition 1995 zum Mount Harrison Smith zog mich in ihren Bann. Eindrucksvoll belegen die Bilder, dass sich Stefan Glowacz und seine Mitstreiter wirklich gequält haben, um zu dem Berg und wieder zurück zu gelangen. Sie hatten, um Gewicht zu sparen, die Lebensmittel so sehr reduziert, dass sie für die letzten vier Tage gerade noch vier kleine Stückchen Schokolade pro Nase übrig hatten. Die ausgemergelten Gesichter der hungrigen Abenteurer, die am Zielort auf ihre Beute im Tante-Emma-Laden starren, sprechen Bände.
Schön und ehrlich
Baffin Island, Grönland, Venezuela, Patagonien, Kenia, Nepal, die Antarktis – egal, wohin es Glowacz verschlägt, leicht macht es sich der Extremkletterer nicht. „Für mich ist der Weg zu den Wänden genauso wichtig wie die Kletterei selbst“, schreibt er an einer Stelle. So gibt es eben nicht nur beeindruckende Bilder aus schwindelerregenden senkrechten oder überhängenden Wänden. Die Topfotografen Klaus Fengler, Gerhard Heidorn und Thomas Ulrich haben immer auch die Strapazen und den Alltag während der Expeditionen auf faszinierende Weise eingefangen. Das macht das Buch nicht nur zu einem schönen (großes Lob für Stefan Glowacz’ Ehefrau Tanja für die kreative Gestaltung), sondern auch einem sehr ehrlichen. Der Bildband ist – auch wenn er dazu taugt – wirklich zu schade, um damit Einbrecher in die Flucht zu schlagen.
P.S. „So kläglich bin ich noch nie gescheitert“, schreibt Glowacz über seine Expedition 2011 zum Siebentausender Gauri Shankar in Nepal. Über das Scheitern habe ich mit Stefan am vergangenen Wochenende in Köln gesprochen. In den nächsten Tagen könnt ihr es hier im Blog nachlesen und hören.