Gerlindes Emotionen
Wie schön, dass es noch Spitzensportler gibt, die nicht versuchen, immer nur cool daher zu kommen! Gerlinde Kaltenbrunner hat als erste Frau alle 14 Achttausender bestiegen, ohne zu Flaschen-Sauerstoff gegriffen zu haben. Viele Male hat die Österreicherin schon von dem Moment erzählt, als sie am 23. August 2011 den Gipfel des K 2 erreichte, des letzten Achttausenders, der noch in ihrer Sammlung fehlte. Und doch bricht Gerlinde die Stimme, als ich sie bei unserem Gespräch auf der ISPO in München (unten nachzuhören) danach frage. „Mit jedem Schritt habe ich gespürt, jetzt ist es so weit, ich darf jetzt gleich ganz oben stehen. Das war für mich sehr emotional.“ Ein paar Tränen fließen. Die Gefühle, vor über fünf Monaten durchlebt, brechen wieder auf.
K 2 war Dauerthema
Der K 2 hatte Gerlinde und ihren Mann Ralf Dujmovits in den vergangenen Jahren mehr als nur beschäftigt. Fast hatte er das Bergsteiger-Ehepaar im Griff. „Es hat natürlich Tage gegeben, in denen wir gar nicht vom K 2 gesprochen haben“, sagt Gerlinde, „aber die hat man zählen können.“ In den vorhergehenden drei Jahren hatte sie vergeblich versucht, den mit 8611 Metern zweithöchsten Berg der Erde über die pakistanische Südseite zu besteigen. Jetzt probierte sie es mit Ralf, dem Polen Darek Zaluski sowie den Kasachen Vassiliy Pivtsov und Maxut Zhumayev über die chinesische Nordseite.
Ralf gab entscheidende Tipps
Geschenkt wurde Gerlinde der K 2 weiß Gott nicht. Immer wieder schneite es – für Ralf der Grund, beim entscheidenden Gipfelversuch wegen zu großer Lawinengefahr umzukehren. „Als wir uns getrennt haben, hatte ich schon einen Kloß im Hals“, gesteht Gerlinde. Keiner habe jedoch versucht, den anderen zu überreden. „Er hat auf sein Bauchgefühl gehört und ich auf meines.“ Möglicherweise war die Trennung sogar der Schlüssel zum Erfolg. Als Gerlinde und ihre Begleiter im Gipfelbereich im tiefen Schnee nach einer sicheren Route suchten, gab Ralf per Funk die entscheidenden Tipps. „Wenn wir Ralf nicht im Basislager gehabt hätten, hätten wir den Gipfel ziemlich sicher nicht erreicht“, ist Gerlinde überzeugt.
„Ich wollte es einfach nur schaffen“
Die 41-Jährige genießt es, das Projekt der 14 Achttausender abgeschlossen zu haben. „Das war mein großes Ziel, mein großer Traum, und darüber freue ich mich jeden Tag.“ Dass die Koreanerin Oh Eun Sun und die Baskin Edurne Pasaban bereits 2010 die Sammlung komplettierten (allerdings hatten beide bei einigen Aufstiegen Atemmasken benutzt), stört Gerlinde nicht. „Mir ging es nie darum, die Erste zu sein. Ich wollte es einfach nur schaffen. Auf meine Weise.“ Und sie schiebt nach: „Das glauben mir immer noch wenige Leute.“
Jetzt zum Nuptse
Anfang April wird Gerlinde wieder mit Ralf nach Nepal aufbrechen. Sie wollen sich am noch nicht durchstiegenen Nordost-Grat des 7861 Meter hohen Nuptse versuchen, in unmittelbarer Nachbarschaft des Mount Everest. Von den 8000ern hat Gerlinde noch nicht die Nase voll. „Es wird mich immer wieder zu diesen Bergen hinziehen. Sie strahlen für mich so viel Kraft aus. Mit ihnen verbindet mich so viel, auch emotional.“