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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Bereit für den höchsten aller Gipfel

Richie in Lager 3

Es ist angerichtet. „Die Großwetterprognose für den Everest sagt zwischen dem 17. bis 21. Mai die schon fast traditionell windstille Phase voraus. Mögen die Wetterfrösche dieser Welt recht behalten!“, schreibt Richard Stihler. Mein alter Kumpel vom Manaslu hat seine Akklimatisierungsphase abgeschlossen. Zusammen mit dem Sherpa Pasang ist Richie bis zu Lager 3 auf gut 7000 Metern aufgestiegen: „Beide sind wir schwer beladen, wir haben das gesamte Material, das für einen späteren Gipfelgang erforderlich ist, in unseren Rucksäcken. Bereits nach den ersten senkrechten Eispassagen wird mir klar, dass die natürliche Auslese genau jetzt begonnen hat. Das Gelände ist so steil, dass man sich eher anseilen sollte, um auszutreten.“ Nach einer „schlaflosen, kalten Nacht“ kehrt der Architekt aus Lahr in einem Rutsch ins Basislager zurück. „Wir sind bereit für den höchsten Berg der Erde“, lautet Richies Fazit.

Riesenstau

Viel Verkehr in der Lhotse-Flanke

Das gilt auch für Ralf Dujmovits, der insgesamt drei Nächte in Lager 3 verbracht hat und dann sogar noch weiter aufgesteigen ist. „Die durchschnittlich 45 Grad steile Lhotse-Flanke ist auf ihrer ganzen Höhe von 1500 Metern eine gigantische Lawinenrutschbahn: nur 10 bis 15 Zentimeter Neuschnee auf hartem Untergrund ergeben ein ungeheuerliches Potenzial für Monsterschneerutsche“, schreibt Ralf auf seiner Internetseite. „Ich reihe mich in die Schlange der aufsteigenden Sherpas ein. Mit deren schwergewichtigen Rucksäcken geht es verständlicherweise nur zäh voran. Überholen ist entlang der Fixseile schwierig und nicht ungefährlich. Trotz Daunenanzug friere ich ziemlich. Am Gelben Band auf ca. 7600 Metern gibt es einen Riesenstau.“ Ralf beschließt umzukehren und ins Basislager abzusteigen. Er fühle sich „für einen zusatzsauerstoff-freien Aufstieg auf den Everest gut genug akklimatisiert“, schließt Deutschlands erfolgreichster Höhenbergsteiger. Alle 14 Achttausender hat er bestiegen, 1992 auch den Everest, damals allerdings mit Atemmaske. Das empfindet Ralf als eine Scharte, die er gerne auswetzen würde: „Ich weiß, dass ich ohne Zusatz-Sauerstoff nur mit wenig Wind und maximalen Kältegraden bis minus 25 Grad Celsius eine Chance haben werde. Ich würde mich so freuen, wenn es klappen könnte.“

 Everest- „Touristen“

Ralf will ohne Atemmaske auf den Everest

Ralf macht darauf aufmerksam, dass am 11. Mai außer den rund 80 Sherpas, die Material zum Südsattel transportierten, nur (wie heute berichtet) Ueli Steck und er auf über 7000 Metern unterwegs gewesen seien. Von den zahlenden Kunden der kommerziellen Anbieter weit und breit nichts zu sehen. Auch Richie hat sich seine Meinung gebildet über die Everest-„Touristen“. Den typischen Vertreter dieser Kategorie beschreibt der 43-Jährige  – wie gewohnt ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen: „Er hat sich bei einer kommerziellen Expedition eingekauft, hat weder Berg- noch Höhenerfahrung, möchte aber trotzdem den höchsten Berg der Erde besteigen. Er kennt keinerlei Gefahren und hat meist zwei Sherpas und/oder einen Führer um sich gruppiert, die ihm Sicherheit vermitteln. In den akut lebensgefährlichen Zonen, die passiert werden müssen, packt er seelenruhig seine Kamera aus, um zu filmen, statt sich so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Seine Chancen auf einen Gipfelerfolg sind äußerst gering und oft nur unter äußerstem Einsatz seiner Begleitmannschaft möglich.“ Das hat Richie perfekt auf den Punkt gebracht.

Datum

14. Mai 2012 | 17:34

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