Nie mehr Everest – versprochen!
Ralf hat die Schublade Mount Everest für immer verschlossen. „Ich werde für alle Zukunft auf eine Besteigung des Everest ohne künstlichen Sauerstoff und ohne Sherpa-Unterstützung verzichten. Ich habe es Gerlinde versprochen“, schreibt Ralf Dujmovits auf seiner Internetseite. Seine Frau Gerlinde Kaltenbrunner räumt ein, dass sie über diesen Entschluss „unheimlich erleichtert“ sei. Zum dritten Mal nach 2005 und 2010 brach Ralf einen Versuch ab, den höchsten Berg der Erde ohne Atemmaske zu besteigen. Der erfolgreichste deutsche Höhenbergsteiger hatte den Gipfel des Mount Everest 1992 erreicht, dabei aber auf Flaschensauerstoff zurückgegriffen. Die anderen 13 Achttausender bestieg Ralf allesamt „oben ohne“. Zu gerne hätte der 50-Jährige diese Scharte noch ausgewetzt. Doch es sollte nicht sein. Dabei hatte es so gut ausgesehen.
Riesenglück gehabt
Ralf hat sich wie der Schweizer Ueli Steck und die chilenische Expedition den 18. Mai als Gipfeltag ausgeguckt. Bis hinauf zum Südsattel läuft alles wie am Schnürchen. Ralf fühlt sich fit, kommt schnell voran – und hat Riesenglück. Kurz nachdem er Lager 3 auf 7100 verlassen hat, wird der Platz von einer Eislawine getroffen. Zwei Sherpas werden schwer verletzt, 17 Zelte zerstört, „darunter auch das, in dem ich gerade noch geschlafen hatte. Ueli Steck hatte entschieden, dieses Mal von Lager II direkt zum Südsattel aufzusteigen und hatte sein Zelt in Lager III nicht genutzt. Auch sein Zelt wurde bei dem Eis-Lawinenabgang komplett zerstört. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte er in Lager III übernachtet.“
Sehr schwere Entscheidung
Auf dem Südsattel in 7950 Metern Höhe angekommen, baut Ralf sein Zelt auf und verabredet sich mit Ueli für Mitternacht, um gemeinsam (beide ohne Atemmaske) zum Gipfel aufzubrechen. Mit großem Getöse bereiten sich die Chilenen, die mit Flaschensauerstoff unterwegs sind, in der Nacht für den Aufstieg vor. Ralf horcht auf seinen Körper. Und der sendet ihm Warnsignale. „Kein Appetit auf gar nichts und ich bin unendlich müde.“ Eine Stunde vor dem geplanten Aufbruch geht Ralf zu Uelis Zelt und informiert den Schweizer darüber, dass er nicht mitkommen werde. „Eine Entscheidung, die mir sehr, sehr schwer gefallen ist. So knapp vor der letzten Etappe zum großen Ziel aufzugeben, kostet mich massive Überwindung“, gesteht Ralf. „Aber die Chance, hier auf diesen letzten Höhenmetern einen Fehler zu machen – und es braucht in dieser Höhe sehr viel Selbstkontrolle, um an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit unterwegs zu sein – ist zu groß und würde mit großer Wahrscheinlichkeit schwere Erfrierungen oder gar das Ende bedeuten.“
Gerne-Groß in Endlos-Kette
Als Ralf vom Südsattel absteigt, traut er seinen Augen kaum: „Was ich sehe übertrifft alles, was ich in meinem 50-jährigen Leben bisher an sich unterordnendem Gerne-Groß gesehen habe. Ca. 200 Menschen wie auf einer Kette aufgereiht, viele ab Lager II oder III mit künstlichem Sauerstoff aufsteigend, alle vom gleichen Traum beseelt, einmal auf dem Everest zu stehen – koste es was es wolle. Dazwischen Sherpas, die den Sahibs ihre Lasten zum Südsattel tragen. Es ist grotesk. Als ich näher komme, werde ich von vielen gefragt: „Ralf – Summit?“ „Nein – zu müde gewesen“ sage ich zumeist und steige nachdenklich ab.“ (Letzteres erinnert mich doch sehr an meine Erlebnisse nach dem gescheiterten Gipfelversuch 2011 am Putha Hiunchuli.)
Der Altersweisheit gefolgt
In Lager zwei wartet Ralf auf Gerlinde und David, die, einem Gipfelerfolg im Gepäck, vom Nuptse zurückkehren. „Insgeheim hatte ich gehofft und gebetet, ihn dort anzutreffen“, schreibt Gerlinde. „Ich machte mir während unserer Besteigung am Nuptse immer wieder Gedanken, ob er wohl seine Erkältung tatsächlich komplett auskuriert hatte. Ich hoffte und vertraute darauf, dass Ralf die für ihn richtige Entscheidung treffen würde, wie er dies schon oft getan hatte.“ Am Ende erreicht das Trio gesund und munter das Basislager. Als Fazit zitiert Ralf seinen Freund, den Künstler und Kabarettisten Jörg Kräuter: „Es ist ja auch eine Art Gipfelerfolg, der Altersweisheit zu folgen und zufrieden zu sein, sein Bestes gegeben und das Allerbeste behalten zu haben.“ Genau!