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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Hiro im 14er-Club

Hiro am Ziel

Hiro hat sein großes Ziel erreicht: Er machte einen Haken hinter sein „Projekt 14“. Am Samstag um 17.30 Uhr nepalesischer Zeit (13.45 Uhr MESZ) erreichte Hirotaka Takeuchi laut seinem Blog den 8167 Meter hohen Gipfel des Dhaulagiri. Der 40-Jährige ist damit der erste Japaner, der alle 14 Achttausender bestiegen hat. Hiros Kletterpartner, der 27 Jahre alte Landsmann Kenjo Nakajima, war während des Aufstiegs krank geworden und hatte auf 6800 Metern passen müssen. Den Rest erledigte Hiro im Alleingang.

Seinen ersten Achttausender-Gipfel hatte sich der Japaner 1995 am Makalu gesichert. Damals war Hiro mit einer großen Expedition unterwegs und nutzte noch Flaschensauerstoff. Auch bei seinen Aufstiegen auf den K 2 und den Mount Everest griff er zur Atemmaske.  Dann lernte Hiro Ralf Dujmovits kennen und übernahm die Achttausender-Philosophie des erfolgreichsten deutschen Höhenbergsteigers: Fortan war er fast immer mit kleinen Teams unterwegs und verzichtete auf Flaschensauerstoff.

Dem Tod von der Schippe gesprungen

Ralf und Gerlinde bringen Hiro 2005 ins Basislager

Dass er nun der 30. Bergsteiger ist, der alle 14 Achttausender bestiegen hat, gleicht einem kleinen Wunder. Zweimal sprang Hiro nämlich dem Tod von der Schippe. Einmal erlebte ich es hautnah mit. 2005 begleitete ich Ralf, Gerlinde (Kaltenbrunner) und Hiro auf ihrer Expedition zur Nordwand des Mount Everest. Die Wetterverhältnisse zwangen das Trio, auf die tibetische Normalroute auszuweichen. Auf etwa 7500 Metern kollabierte Hiro – Folge  eines Höhenhirnödems. Der Japaner hatte Warnsignale seines Körpers ignoriert. Nun rang er mit dem Tod. Gerlinde und Ralf gelang es, ihren Freund über die nächste Nacht und anschließend sicher ins Basislager zu bringen. Hiro hatte Glück, das Ödem hinterließ keine Spuren. Ein Jahr später war der Japaner wieder im Himalaya zurück. Mit Gerlinde und Ralf bestieg er den Achttausender Kangchendzönga.

Bärenkondition

Hirotaka Takeuchi

2007 waren wir wieder gemeinsam unterwegs: Hiro gehörte zu der von Ralf geführten kommerziellen Expedition zum Manaslu, die ich als Journalist begleitete. Hiro war in blendender Form. Gemeinsam mit Ralf und zwei Sherpas erledigte er die meiste Spurarbeit und zählte zu den sieben Expeditionsmitgliedern, die den Gipfel erreichten.
Anschließend machte sich der Japaner auf den Weg nach Pakistan, um den Gasherbrum II zu besteigen. Auf 6700 Metern geriet Hiro in eine Lawine. Zwei Expeditionsmitglieder kamen ums Leben, Hiro wurde lebensgefährlich verletzt: ein Rückenwirbel und fünf Rippen brachen, ein Lungenflügel klappte zusammen. Andere Bergsteiger bargen den Japaner, der anschließend mit einem Hubschrauber in ein Militärkrankenhaus nach Skardu geflogen wurde. Wohl nur seine Bärenkondition rettete Hiro das Leben.

Schnelles Comeback

Viel fehlte nicht, und er wäre zeitlebens gelähmt geblieben. Mehrere Monate verbrachte Hiro anschließend in Krankenhaus und Reha. Der gebrochene Wirbel wurde mit Titan verstärkt. Das Bergsteigen rückte zunächst in weite Ferne. Doch wieder kehrte Hiro schneller als erwartet zu den Achttausendern zurück. Bereits im Sommer 2008, nur ein Jahr nach dem Lawinen-Unglück, bestieg er nicht nur den Gasherbrum II, sondern anschließend auch noch den Broad Peak.

Als ich Hiro in diesem Frühjahr für den Dhaulagiri, den letzten noch fehlenden Achttausender in seiner Sammlung, alles Gute wünschte, schrieb mir der zweifache Vater zurück: „Ich werde mein Bestes geben.“ Hiro hat Wort gehalten. Glückwunsch, mein Freund aus dem Fernen Osten!

P.S. An diesem Wochenende haben wieder rund 180 Bergsteiger den Mount Everest bestiegen. Chaotische Zustände wie vor einer Woche soll es diesmal nicht gegeben haben. Mehr dazu später.

Datum

27. Mai 2012 | 17:32

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