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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

99 zu viel

Tibet

Runde Zahlen faszinieren. Wo es um menschliches Leid geht, sollte man sich dieser Faszination nicht hingeben. Deshalb warte ich nicht auf die Zahl 100, die uns wohl in den nächsten Tagen ins Haus steht. Kunchok Kyab war der 99. Tibeter, der sich seit 2009 in Brand setzte, um gegen die seit über 60 Jahren andauernde Besetzung seiner Heimat durch China zu protestieren. Chinesische Sicherheitskräfte hätten seine Leiche vom Gelände des Klosters Bora im Osten Tibets an einen unbekannten Ort gebracht, teilte die tibetische Exilregierung in Indien mit. Einige Mönche des Klosters seien festgenommen worden. Kunchok Kyab war 26 Jahre alt. Er hinterlässt eine Frau und ein kleines Kind. Mehr als die Hälfte der 99 Selbstverbrennungen in Tibet wurden seit Anfang Oktober vergangenen Jahres gemeldet.

Sangay: Auf Neujahrsfest verzichten

Lopsang Sangay

Die meisten Tibeter, die diese extreme Form des Protestes wählten, waren Anfang bis Mitte 20. Der jüngste, der in den Flammen starb, war ein Mönch namens Dorje, gerade einmal 15 Jahre alt. Fast gebetsmühlenartig macht die chinesische Regierung den Dalai Lama und sein Umfeld für die Selbstverbrennungen verantwortlich. Dem wiederspricht die tibetische Exilregierung. Sie habe, so Ministerpräsident Lobsang Sangay, die Tibeter vielmehr immer wieder aufgefordert, auf derart drastische Protestaktionen zu verzichten. Und doch seien die Selbstverbrennungen weitergegangen. Sangay fordert seine Landsleute auf, am 11. Februar auf die sonst üblichen Feiern zum Losar, dem tibetischen Neujahrsfest, zu verzichten und stattdessen für die Opfer der Selbstverbrennungen zu beten.

Dalai Lama appelliert an China

„Es macht mich traurig, dass sich diese Menschen so entscheiden. Und das nicht, weil sie etwa betrunken sind oder irgendein Problem in der Familie haben, sondern weil die Tibeter seit zwei bis drei Generationen so viel erleiden müssen“, sagte kürzlich der Dalai Lama. „Ich kann für diese Menschen nur beten, sonst nichts tun. Die chinesische Regierung hätte es dagegen in der Hand, aber sie beschuldigt nur andere. Das löst das Problem nicht. Sie sollte stattdessen endlich ernsthaft die Gründe für die Selbstverbrennungen untersuchen.“

P.S. Ihr fragt euch vielleicht, warum ich in meinem Blog über Abenteuersport immer wieder einmal über die politische Lage in Tibet berichte. Ganz einfach: Weil mir die Menschen im Himalaya am Herzen liegen. Und weil wir nicht so tun sollten, als finde Bergsteigen im politikfreien Raum statt. Die Achttausender Shishapangma und Cho Oyu liegen in Tibet, der Mount Everest und der Makalu zur Hälfte.

Datum

24. Januar 2013 | 16:25

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