Everest-Erstlinge und wahre Pioniere
Gut 100 weitere Everest-Besteigungen sind heute dazugekommen, das halbe Tausend ist voll. Und wieder werden ein paar „Erstlinge“ vermeldet: Die 26 Jahre alte Inderin Arunima Sinha war die erste beinamputierte Frau, die auf dem 8850 Meter hohen Gipfel stand. Domènec Trastoy Diaz erreichte als erster Bergsteiger aus Andorra den höchsten Punkt der Erde, der 30-jährige Scheich Mohammed Al Thani war der erste aus Katar, der 42-Jahre alte Raed Zidan der erste Palästinenser (auch wenn er nicht im Nahen Osten, sondern als erfolgreicher Geschäftsmann in den USA lebt). Der 43 Jahre alte Kim Chang-Ho verzichtete als erster Südkoreaner beim Everest-Aufstieg auf eine Atemmaske und ist nun der erste Bergsteiger seines Landes, der alle 14 Achttausender ohne Flaschensauerstoff erklomm – und das in der neuen Rekordzeit von sieben Jahren, zehn Monaten und sechs Tagen. Und in wenigen Stunden könnte mit dem Bergsteiger-Methusalem Yuichiro Miura der erste 80er auf einem 8000er stehen. Wie ihr auf dem Foto sehen könnt, trank der Japaner im letzten Lager auf 8500 Metern Tee mit Sauerstoff. Heute müssen wir jedoch unbedingt noch einen Blick zurück in die Zeiten der wahren Everest-Pioniere werfen.
Erste Achttausender-Überschreitung
Am 22. Mai 1963, also vor genau 50 Jahren, erreichten die beiden US-Amerikaner Tom Hornbein und Willi Unsoeld den Gipfel – und wie! Sie eröffneten eine neue, schwierige Route. Erst kletterten sie über den Westgrat, dann querten sie im oberen Bereich in die Nordwand – übrigens bei starkem Wind. Über eine markante Rinne, die seitdem „Hornbein-Couloir“ heißt, kletterten die beiden aufwärts, querten zurück zum Westgrat und standen schließlich am frühen Abend des 22. Mai auf dem Gipfel. Über die heutige Normalroute stiegen Hornbein und Unsoeld nach Süden ab. Es war die erste Überschreitung eines Achttausenders. Unterhalb des Gipfels trafen die beiden auf ihre Landsleute Barry Bishop und Lute Jerstad, die zuvor über die Route der Erstbesteiger den höchsten Punkt erreicht hatten. Auf 8500 Metern überlebten die vier US-Bergsteiger eine Nacht ohne Zelt.
Reinhold Messner zur Everest-Überschreitung 1963
Messner: „Mutig und kühn“
Reinhold Messner findet, dass das 50-Jahr-Jubiläum der Everest-Überschreitung durch Hornbein und Unsoeld im Fokus des öffentlichen Interesses stehen sollte: „Natürlich bleibt die Erstbesteigung vor 60 Jahren noch wichtig. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es eine sehr mutige und kühne Tat von Hornbein und Unsoeld war, auch sehr, sehr knapp.“ Willi Unsoeld starb 1979 im Alter von 52 Jahren in einer Lawine am Viertausender Mount Rainier in den USA. Tom Hornbein ist inzwischen 82 Jahre alt. Als ich ihn per Email um seine Gedanken zum Everest bat, lehnte er freundlich ab. Er ziehe es in seinem Alter vor, „so häufig wie möglich unter dem Radar zu bleiben“. Deshalb hier ein Interview, das Hornbein vor zwei Jahren gegeben hat: