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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Gelesen: Die Besteigung des Rum Doodle

Ich gestehe, dass ich die Bar eher kannte als das Buch. Das „Rum Doodle“ in Thamel, dem Touristenviertel Kathmandus, ist ein beliebter Treffpunkt für Bergsteiger aus aller Welt. Dort kannst du die Unterschriften vieler Everest-Helden bewundern. Wer den höchsten Berg der Erde bestiegen hat, speist im „Rum Doodle“ lebenslang umsonst. Ihren Namen hat die Bar von einem echten Klassiker unter den Bergbüchern, den es jetzt endlich auch in deutscher Übersetzung gibt. 1956, drei Jahre nach der Erstbesteigung, erschien „The Ascent of Rum Doodle“. Der Autor hieß William E. Bowman und war ein englischer Bauingenieur, der gerne auf der Insel wanderte und dem die damals üblichen heroisierenden Expeditionsberichte ziemlich auf den Senkel gegangen sein müssen. In seinem Buch zog Bill nämlich alles, was den Himalaya-Bergsteigern seiner Zeit als heilig galt, gnadenlos durch den Kakao: Heldenmut, Kameradschaft, political correctness. 

Ein Haufen Anti-Helden 

Bei Bowman ist nichts korrekt, vielmehr alles albern und herrlich überzeichnet. Die Helden sind gleichzeitig Antihelden: Expeditionsleiter „Binder“ (wir erfahren nur seinen Codenamen für den Funkverkehr), der seine Führungsrolle überaus ernst nimmt, aber eigentlich nie im Bilde ist; der starke Mann Burley, der an allen nur möglichen Schwächezuständen leidet; der Fotograf Shute, der jede Aufnahme versaut; der Pfadfinder Jungle, der sich permanent verläuft; oder auch Expeditionsarzt Prone, der als Einziger ständig krank ist. Ein Haufen skurriler Gestalten, die sich nun aufmachen, erstmals den Rum Doodle zu besteigen, den höchsten Berg der Erde. 

Rülpsen gehört zum guten Ton 

40.000 ½ Fuß (12192,15 Meter) misst der Rum Doodle und liegt in Yogistan. Die Sprache der Menschen dort gehört zur „aneroid-megalithischen“ (flüssigen, aus großen Steinen bestehenden) Familie,  kommt ohne Verben aus und wird ganz aus dem Magen gesprochen. Rülpsen gehört also zum guten Ton. Auch sonst werdet ihr viel lernen. Dass ein Spaltensturz als Champagner-Sauforgie enden kann. Oder dass ein Expeditionskoch zuweilen zur größten Gefahr wird, vor der es nur eine Rettung gibt: die Flucht nach oben.

Mehr wird nicht verraten. Ich habe mich jedenfalls köstlich amüsiert. Ich lache auch über die Marx Brothers oder Mr. Bean – nur damit ihr wisst, auf welche Art Humor ihr euch einstellen müsst. Darauf könnt ihr jetzt einen Rum doodeln.

Datum

14. Juni 2013 | 16:57

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