Gelesen: Briefe vom Everest
Das 60-Jahr-Jubiläum der Erstbesteigung hat auf dem Buchmarkt eine regelrechte Lawine von Everest-Büchern ausgelöst, aus der ich mich erst peu à peu befreie. Ans Herz legen möchte ich euch heute George Lowes „Briefe vom Everest“. Dort gibt es das Abenteuer von 1953 aus erster Hand. Der Neuseeländer Lowe war ein enger Freund Edmund Hillarys. Ihm galten Eds legendäre erste Worte, nachdem er mit Tenzing Norgay vom Gipfel zurückkehrte: „George, wie knocked the bastard off!“ (George, den Bastard haben wir erledigt!) Lowe schrieb regelmäßig an seine älteste Schwester Betty. Diese hatte den Auftrag, per Hand je zwei Kopien der Briefe anzufertigen, für den Fall, dass das Original verloren gehen sollte. Weitere Kopien per Schreibmaschine gingen an enge Freunde. Ein früher Newsletter.
Über 20 Kilo auf dem Rücken
Lowes Briefe dokumentieren eindrucksvoll, wie gut die Expeditionsmannschaft als Team funktionierte. An keiner Stelle findet sich auch nur ein Anflug von Neid, weil George nicht zu einem der beiden Gipfelteams gehörte. Dabei leistete Lowe Außergewöhnliches, vor allem beim Spuren und Lastentransport in der Lhotse-Flanke, meist ohne Flaschensauerstoff. „Ich war erpicht darauf, auf den South Col zu gelangen“, räumt George allerdings ein. Vier Tage und fünf Nächte verbrachte er schließlich auf dem Südsattel und brachte eine Last von 22 Kilogramm hinauf zu Hillarys und Tenzings letztem Lager auf 8500 Metern. Hillary schulterte sogar 29(!) Kilo.
Bergnässer
Mit viel Humor und Selbstironie beschreibt Lowe das Expeditionsleben am Everest und lässt keinen Zweifel daran, dass er daran vor allem eines hatte: einen Riesenspaß. Schmunzeln musste ich über die von George zitierten Worte des Expeditionsleiters John Hunt, nachdem dieser völlig erschöpft aus einer Höhe von 8340 Metern zum Südsattel zurückgekehrt war: „Weißt du, was am schlimmsten ist, wenn man völlig kaputt ist? Man pinkelt sich in die Hose und kann nichts dagegen tun.“
Aus anderem Holz gestrickt
Ein Foto im Buch zeigt George Lowe auf dem Südsattel, nicht ausgezehrt wie die meisten anderen Bergsteiger in dieser großen Höhe, sondern freundlich lächelnd wie auf Sommerfrische – und das nach allen Strapazen, die schon hinter ihm lagen. Als alter Mann erlebte Lowe aus der Ferne auch noch die langen Schlangen von Bergsteigern auf der Everest-Normalroute mit. „Vielleicht ist das bis zu einem gewissen Grad unsere Schuld – wir öffneten ihnen die Tür, wiesen den Weg“, schreibt George im Nachwort, lässt aber gleichzeitig keinen Zweifel daran, dass er und seine Gefährten 1953 aus anderem Holz gestrickt waren. Sie hätten die Herausforderung auf eine „unverbildete Art“ angenommen: „mit Bedacht und Entschlossenheit, hoch erhobenen Hauptes, einen Schritt vor den anderen setzend.“ George Lowe starb – wie berichtet – am 20. März im Alter von 89 Jahren. Schön, dass seine Briefe in diesem Buch fortbestehen.
P.S. Ich würde gerne wieder im Wettbewerb um den „Online-Star 2013“ meinen Hut in den Ring werfen. Im letzten Jahr schaffte es „Abenteuer Sport“ unter die Top Ten der Blogs und landete dort schließlich im Mittelfeld. Die genaue Platzierung darf ich nicht bekannt geben :-(, weil nur die ersten drei veröffentlicht werden sollen. Es handelt sich um eine Publikumswahl. Wenn euch mein Blog gefällt, stimmt bitte für ihn. So geht’s: Auf die Wettbewerbsseite (hier) gehen und den Button „Zur Vorwahl“ drücken. Der Rest ergibt sich eigentlich von selbst. Die Kategorie wäre „Private blogs“ (im Gegensatz zu Commercial Blogs). Da müsstet ihr dann die Blog-Adresse http://blogs.dw.com/abenteuersport eingeben. Die Vorrunde endet am 30. Juni. Bitte weitersagen! Tausend Dank!