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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Der erste Blick

Hinten der Mustagh Ata ...

Hinten der Mustagh Ata …

„Also ganz ehrlich“, sagt André, „ich hätte nicht gedacht, dass der Schamanentanz so viel Glück bringt. Vielleicht hätten wir die Kostüme aus Tash Rabat mit ins Basislager nehmen sollen.“ Wir stehen am Ufer des Kara Kol, des „Schwarzen Sees“. Vor einer halben Stunde noch lagen alle Gipfel der Kongur Range in den Wolken. Zu dieser Bergkette, in der sich ein Siebentausender an den nächsten reiht, gehört auch der Kokodak Dome. In den letzten 30 Minuten konnten wir dabei zusehen, wie der starke Wind in großer Höhe seine Arbeit verrichtete. Erst entblößte er auf der gegenüber liegenden Seite den rund 7500 Meter hohen Mustagh Ata, einen sehr beliebten Expeditionsberg. Jetzt haben wir diesen mächtigen Schnee- und Eisklotz im Rücken und bestaunen unser Ziel: den noch unbestiegenen 7129 Meter hohen Kokodak Dome. Etwa zehn Kilometer Luftlinie entfernt, schüttelt nun auch er die Wolken ab. Ich bin beeindruckt. Aus der Ferne sieht er steiler aus, als ich erwartet hatte. Ein ziemlicher Koloss. 

Zwei Everest-Besteiger als Helfer

Chhongba (r.) und Singi

Chhongba (r.) und Singi

Am Morgen sind wir aus der Stadt Kashgar aufgebrochen. Zeit, uns die Stadt an der Seidenstraße anzusehen, hatten wir nicht. Gestern kamen wir erst spät am Abend an. So spät, dass wir das neben unserem Hotel gelegene Restaurant als letzte Gäste verließen. Dort lernten wir auch die beiden Nepalesen kennen, die uns bei unserem Aufstieg unterstützen werden. Beide sind „Everester“. Chhongba Sherpa stammt aus dem Solu Khumbu, dem Gebiet um den höchsten Berg der Erde. Er hat die klassische Sherpa-Laufbahn hinter sich. Chhongba begann als Träger, verdingte sich als Küchenhelfer bei Expeditionen und besuchte dann eine Kletterschule für Sherpas. 2009 erreichte er am Everest auf der nepalesischen Seite den knapp 8000 Meter hohen Südsattel. 2012 führte Chhongba von der tibetischen Nordseite aus eine Kundin auf den Gipfel, ab 7900 Metern atmete er Flaschensauerstoff. Der 43-Jährige ist verheiratet und hat zwei Söhne, 11 und 14 Jahre alt. Chhongbas Familie lebt in der Hauptstadt Kathmandu, ganz in der Nähe der Familie des anderen Nepalesen, der uns begleitet.

Ohne Kunde ganz oben

Singi Lama ist 42 Jahre alt und ebenfalls verheiratet. Seine 20 Jahre alte Tochter geht bereits auf die Universität, sein 17 Jahre alter Sohn beendet bald die Schule. Singi wurde in der Region Langtang geboren. Auch er war erst Küchenhelfer, besuchte eine Kletterschule und heuerte anschließend als Climbing Sherpa an. 13 Expeditionen hat Singi bereits in den Knochen. Am Kangchendzönga, dem dritthöchsten Berg der Erde, war er nahe daran, seinen ersten Achttausender zu besteigen. „Aber dann kamen wir 80 Meter unterhalb des Gipfels an einem toten Bergsteiger vorbei“, erzählt Singi. „Als mein österreichischer Kunde das sah, wollte er nicht mehr weitersteigen.“ Auch am Makalu und am Dhaulagiri blieben ihm Gipfelerfolge versagt. 2011 am Everest stieg Singi nur für sich alleine auf und erreichte den 8850 Meter hohen Gipfel. Auch er benutzte zusätzlichen Sauerstoff. „Aber nur eine Flasche“, sagt Singi, der zum Führungskreis des Nepalesischen Bergsteigerverbands zählt.

Skorpione in Kunstharz

 ... vorne der Kokodak Dome (rechts neben der Wolke)

… vorne der Kokodak Dome (rechts neben der Wolke)

Die beiden Nepalesen sitzen mit uns im Kleinbus, als wir dem Kokodak Dome entgegenfahren. Normalerweise braucht man für die Strecke nur vier Stunden, doch die Straße ist eine einzige Baustelle. Lastwagen reiht sich an Lastwagen, dazu Betonmischer und große Bagger. Die Chinesen haben in dem Gebiet einen riesigen See aufgestaut. Jetzt werden weitere Haltebecken für Wasserkraftwerke gebaut. Bei einem kurzen Zwischenstopp am Stausee versuchen fliegende Händler, uns Andenken zu verkaufen: Ketten, Tücher oder Skorpione in Kunstharz. Am späten Nachmittag erreichen wir endlich den Kara Kol, wo wir zum zweiten Mal an diesem Tag eine Passkontrolle hinter uns bringen müssen. Anschließend nehmen wir uns reichlich Zeit, den Kokodak Dome aus der Ferne zu bewundern. Während ich diese Zeilen am sehr späten Abend schreibe, liege ich im Zelt auf 3330 Metern. Draußen regnet es – hoffentlich nur vorübergehend. Morgen wollen wir schließlich zum Basislager aufsteigen, an den Fuß „unseres“ Bergs.

 

Datum

11. Juli 2014 | 20:08

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