Grenzwertig
Warten auf Godot ist dagegen Kindergarten. Ich muss an das ironische Video denken, das Jörg Schmadtke, Sportdirektor meines Leib- und Magenvereins 1. FC Köln, in der vergangenen Saison ins Netz gestellt hat, um der in meiner Heimatstadt allzu leicht aufkommenden Fußball-Euphorie entgegenzuwirken. „Ruhig bleiben, schön ruhig bleiben!“ Diese Worte wiederholt Schmadtke wie ein Mantra, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Bei der insgesamt sechsten Grenzkontrolle (zwei in Kirgistan, vier in China) kann einem das Lächeln allerdings schon mal vergehen. Besonders wenn du gut eine halbe Stunde im Bus in der Sonne warten musst, weil das Personal der Grenzstation im Stechschritt verschwindet, um erst einmal in aller Ruhe zu essen. Gott sei Dank kehren die Uniformierten nach einer Weile zurück, um möglichst schnell ihr Tagewerk zu beenden. Das verschafft uns den Vorteil, dass wir zwar sämtliches Gepäck im Rekordtempo durch den Scanner jagen müssen, aber so gut wie nichts durchsucht wird. „Die sind zwar penibel, aber nicht sorgfältig“, stellt Manuel fest. So bleiben an einem der Posten, an dem eigentlich alle Fotoapparate und Computer überprüft werden sollen, zwei Geräte unkontrolliert. Stattdessen interessieren sich die Grenzbeamten mehr für Eisschrauben oder Zeltstangen. Für uns gilt die Devise: Immer lächeln, bloß nicht ausrasten! Das Gesicht zu verlieren, wird in China nicht verziehen. Schon gar nicht an der Grenze.
Schamanentanz
Welch ein Kontrast zum Beginn des Tages! Juri, der Chef unseres Jurtencamps in Tash Rabat, bereitet uns einen herzlichen Abschied. Erst verteilt er an jeden Zweiten knielange Überzieher und als Kopfschmuck ein Stirnband mit Geierfeder. Dann drückt er jedem einen knorrigen Holzstock in die Hand. Schließlich schlüpft er selbst ins Kostüm und bittet zum Schamanentanz. Gestenreich von Juri animiert, legen sich die ausgewählten Teammitglieder mächtig ins Zeug. Das sieht irrsinnig komisch aus, ich biege mich vor Lachen. Bevor wir in den Kleinbus steigen, umarmt Juri jeden von uns. „Come back!“, sind seine Abschiedsworte. Unsere erste Akklimatisierungs-Phase liegt hinter uns. Drei Nächte haben wir auf einer Höhe von 3000 Metern geschlafen und bei zwei langen Wanderungen auf 4000 Metern noch dünnere Luft geschnuppert. Alle sind sich einig: Die Tage in Tash Rabat waren ein erster Höhepunkt unserer Reise.
Deutschland die Daumen gedrückt
Dass wir uns anschließend durch die Grenzkontrollen „durchwurschteln“ müssen, ist uns schon vorher klar. Doch wenn du dann deinen Rucksack in den Scanner schickst, deine Kamera und dein Netbook an einen dich grimmig anblickenden Grenzposten abgibst, schlägt dein Herz doch unwillkürlich höher. Meines jedenfalls. Wie bei einer Alkoholkontrolle im Straßenverkehr, obwohl ich doch eigentlich gar nichts getrunken habe. Es hilft, wenn ich mir dann klar mache, dass die Grenzbeamten auch nur Menschen sind und dass es eben auch Teil ihres Jobs ist, klar zu machen, dass sie hier die Chefs im Ring sind. Am letzten Posten blicken wir – vielleicht wegen des bevorstehenden Feierabends – auch in einige lächelnde Gesichter. Eine Soldatin, die unsere Pässe kontrolliert, spricht uns auf die Fußball-Weltmeisterschaft an. „Die deutsche Mannschaft hat gut gespielt und steht verdient im Finale“, sagt sie. „Wir halten zu Deutschland.“ Na dann.