Muh! Ein Plädoyer für die Kuh
Kühe habe ein Imageproblem. Jedenfalls derzeit hier in Österreich. Dieser Tage war es dem „Hitradio Ö 3“ die Aufmacher-Meldung wert, dass ein 77 Jahre alter Wanderer in den Bergen von einer Kuhherde angegriffen und schwer verletzt worden sei. Einfach so, aus heiterem Himmel. Der Senior habe sich nicht einmal auffällig verhalten. Er sei auch nicht von einem Hund begleitet worden, den die Kühe vielleicht als Bedrohung hätten empfinden können. Genau das war offenbar Ende Juli im Stubaital einer 45 Jahre alten deutschen Urlauberin zum Verhängnis geworden. Sie hatte den Angriff einer Kuhherde nicht überlebt. Seitdem wird in den Alpen darüber diskutiert, ob die Kuh den alpinen Gefahren zugerechnet werden muss. Sogar von „Killer-Kühen“ ist die Rede. „Kuhflüsterer“ verweisen darauf, dass mit dem Einzug der Elektronik in die Landwirtschaft die persönliche Beziehung zwischen Bauer und Viech abhanden gekommen sei und deshalb manche Kuh den Menschen nicht mehr wie früher als Freund und Helfer, sondern als Bedrohung empfinde. Wahrscheinlich schreiben bereits die ersten Drehbuch-Autoren in Hollywood (oder im Wienerwald) am neuen Film-Schocker „Planet der Kühe“. Da können sie dann auch gleich mit einarbeiten, dass die Kühe mit ihrem Methan-Gefurze und -Gerülpse den Klimawandel befeuern.
Ein Stück Bergkultur
Schluss, Ende, Muh! Die Kuh muss verteidigt werden. Und wenn ich mich zu ihrem Anwalt mache! Die Alpen ohne Kühe sind für mich nicht vorstellbar, der Himalaya ohne Yaks übrigens auch nicht. Seitdem ich in den Bergen unterwegs bin, also von Kindesbeinen an, gehören die Begegnungen mit den Rindviechern ebenso dazu wie das Geläut ihrer Glocken, von Milch und Bergkäse ganz zu schweigen. Kühe sind Bergkultur. Zugegeben, ein einziges Mal habe ich es auch mit der Angst bekommen und mein Tempo spürbar erhöht. Aber das war auch nicht auf einer gewöhnlichen Kuhweide, sondern einer Stieralpe. An deren Gatter stand ein Schild „Durchgang auf eigene Gefahr“, und oben am Hang scharrte ein mächtiger Bulle mit den Hufen, als wäre ich der kleine Torero und mein Rucksack das rote Tuch in der Arena. Ich suchte das Weite und fand es hinter dem Zaun.
Zunge raus!
Gestern haben wir auf dem Bauernhof, auf dem wir seit vielen Jahren regelmäßig Urlaub machen, die Geburt eines Kälbchens miterlebt. Verblüffend: Erst erblicken die beiden Vorderhufe das Licht der Welt, dann aber schon steckt das Neugeborene die Zunge heraus – so als wollte es erst einmal schmecken, worauf es sich auf dieser merkwürdigen Welt einlässt. Es folgt die Schnauze und schwupps, rutscht das ganze, kleine Rindvieh heraus. Mutter Kuh beginnt nun, Baby-Kuh abzuschlecken, dass es sich – im wahrsten Sinne des Wortes – gewaschen hat. Heute steht Molly (wie ich die kleine Kuh für mich getauft habe) schon wacklig im Stall. Und im nächsten Jahr kann ich sie dann hoffentlich auf der Hochalm besuchen. Und dass mir bloß niemand einen Zaun um sie herum baut!