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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

In memoriam Basti Haag

Basti Haag (1979-2014)

Basti Haag (1979-2014)

Nein, ich habe Sebastian Haag nicht wirklich gekannt. Ich habe ihn nur einmal getroffen – wie man sich halt so trifft in der Bergsteiger-Szene. Vor einem Jahr war das, beim International Mountain Summit (IMS) in Brixen. Damals berichteten er und Benedikt Böhm über ihre Erlebnisse am Manaslu: Am 22. September 2012 war an dem Achttausender in Nepal oberhalb von 6000 Metern eine Lawine abgegangen und hatte zwei Hochlager getroffen. Elf Bergsteiger waren ums Leben gekommen. Bene und Basti hatten Glück gehabt, weil sie aus einem unguten Bauchgefühl heraus ihr Zelt weit abseits der anderen aufgebaut hatten. Die beiden Deutschen hatten nach dem Unglück mehrere Verletzte aus den Schneemassen befreit. Im Oktober 2013 in Brixen sprach ich mit Basti auch über die Gefahren, die er als Extremsportler einging. „Es gibt Momente,  wo man das Gehirn ausschalten muss, und solche, wo man es anlassen muss“, lautete seine Antwort (die ihr unten auch nachhören könnt). „Natürlich kann uns, wie allen anderen auch, etwas passieren. Davor ist niemand gefeit, auch wenn du noch so vorsichtig bist. Und wenn du zu vorsichtig bist, musst du eben zu Hause bleiben, auf die Zugspitze steigen oder beim Münchner Stadtmarathon mitmachen.“

Basti Haag (Okt. 2013): Man darf nicht zu vorsichtig sein

„Ein richtiger Sonnenschein“

Schnell unterwegs: Haag (r.) und Böhm

Schnell unterwegs: Haag (r.) und Böhm

Haag war nicht nur Skibergsteiger, sondern startete auch weltweit bei Ultratrail-Läufen – und er war Doktor der Tiermedizin. Seine Promotion widmete der Münchener 2010 seinem Bruder Tobias, der vier Jahre zuvor in den Bergen nahe Chamonix in den Tod gestürzt war, als eine Wächte gebrochen war. Mit seinem Schulfreund Benedikt Böhm stellte Basti 2005 einen Geschwindigkeitsrekord am 7546 Meter hohen Mustagh Ata im Westen Chinas auf: neun Stunden 25 Minuten für den Aufstieg, eine Stunde 16 Minuten für die Skiabfahrt. Ein Jahr später meisterten die beiden Skibergsteiger zusammen mit Luis Stitzinger  im Eiltempo den Achttausender Gasherbrum II im Karakorum. 17 Stunden brauchte das Trio für den Weg auf den Gipfel und die anschließende vollständige Skibefahrung des Bergs. „Ich habe Basti als sehr umgänglichen, sympathischen Menschen erlebt“, erinnert sich Luis, als ich ihn heute anrufe. „Er konnte es mit allen gut, ein richtiger Sonnenschein, ein lebenslustiger Typ.“

Kein Selbstmordkandidat

Danach riss die Erfolgsserie von Bene und Basti an den Achttausendern. 2007 mussten sie am Manaslu wegen zu großer Lawinengefahr auf 7400 Metern umdrehen. Ihr Versuch am Broad Peak 2009 endete am 8011 Meter hohen Vorgipfel, weil sich Basti ein Höhenhirnödem zugezogen hatte. „Damals habe ich mein Leben riskiert und sicher auch Benes, weil ich den Fehler gemacht habe, trotz meiner Probleme weiterzugehen“, erzählte mir Basti in Brixen. 2012 am Manaslu kehrte er bei einem Gipfelvesuch nach dem Lawinenunglück auf etwa 8000 Metern um, obwohl Benedikt weiter aufstieg. „Er hatte aus seinen Erfahrungen gelernt“, denkt Luis. „Basti hat viel in die Waagschale geworfen und riskiert, aber er war kein Selbstmordkandidat.“

Geringe Sicherheitsreserve

Ganz ohne Risiko gehe es jedoch nicht beim superschnellen Skibergsteigen, sagt Stitzinger, der nach seinen Erlebnissen am Gasherbrum II zwar auch von anderen Achttausendern mit Skiern abfuhr, auf weiter Speedprojekte aber verzichtete: „Wenn du zu defensiv bist, wirst du nicht erfolgreich sein. Für eine Top-Zeit musst du alles geben können. Die Sicherheitsreserve ist da relativ gering.“ Sebastian Haag und sein italienischer Freund Andrea Zambaldi starben am Mittwoch in einer Lawine in der Gipfelregion der Shishapangma. Basti wurde 35 Jahre alt.

Datum

26. September 2014 | 14:23

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