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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Gut gedopt ist halb bestiegen?

DopingprobeBergsteigen ist Sport. Und hier wird, wie in anderen Sportarten auch, gedopt. Das überrascht kaum, wohl aber das Ausmaß. „Es ist gang und gäbe“, sagt Professor Thomas Küpper. Der Arbeits- und Sportmediziner arbeitet am Universitätsklinikum Aachen und gehört zu den Autoren eines Berichts, der jetzt bei der Generalversammlung des Weltverbands der Bergsteiger und Kletterer (UIAA) in Flaggstaff in den USA diskutiert wurde. Titel: „Gebrauch und Missbrauch von Medikamenten beim Bergsteigen“. Küpper verweist auf eigene Daten vom Kilimandscharo, nach denen 80 Prozent (! – kein Tippfehler) der Gipfelaspiranten zu Diamox oder Dexamethason griffen.

Begriff „Doping“ vermieden

Das Medikament Diamox enthält einen Wirkstoff, der den Hirndruck senken kann. Viele werfen die Pillen prophylaktisch ein, um nicht höhenkrank zu werden. Dexamethason ist eigentlich ein Notfallpräparat bei Höhenhirnödemen, wird inzwischen aber ebenfalls häufig vorbeugend geschluckt. Sind die Bergsteiger und ihre Ärzte einfach nur naiv oder handeln sie fahrlässig? „Zumindest verstoßen sie gegen die Regeln fairen Sports“, antwortet mir Küpper auf diese Frage. „Denn es ist streng genommen Doping, auch wenn die UIAA sich trotz meiner intensiven Bemühungen nicht dazu hat durchringen können, das Kind beim Namen zu nennen.“ Vor allem die Veranstalter von Trekkings und Expeditionen handelten „bodenlos fahrlässig“, wenn sie ihren Kunden nahelegten, „Medikamente ohne jede individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung“ einzuwerfen, findet Küpper. Bei Everest-Trekkings sei regelmäßig zu hören: „Okay, wir haben noch fünf Minuten, Zeit genug für eine weitere Tasse Kaffee und unsere Diamox-Pillen.“

„Taschen voller Medikamente“

Everest-Krankenstation

Everest-Krankenstation

In dem UIAA-Bericht wird auch die Ärztin Luanne Freer zitiert. Die US-Amerikanerin gründete 2003 im Everest-Basislager die saisonal betriebene höchstgelegene Krankenstation der Welt, den „Everest Emergency Room“. „Wir schätzen auf der Grundlage unserer informellen Umfrage im Frühjahr 2012, dass mindestens zwei Dritteln der Bergsteiger verschiedene leistungssteigernde Mittel verschrieben wurden, die sie nicht für den Notfall verwenden wollten, sondern um ihre Gipfelchance zu steigern“, sagt die 56-Jährige. Einmal habe ein Bergführer ihr Ärzteteam gebeten, seine Kunden vor dem Gipfeltag über den richtigen Gebrauch der Medikamente aufzuklären. „Wir erschraken darüber, dass wir ein Zelt voller ängstlicher Bergsteiger vorfanden, die die Taschen voller Medikamente hatten (verschrieben von ihren Hausärzten, besorgt in heimischen Apotheken), ohne zu wissen oder eingewiesen worden zu sein, wann und wie sie diese verwenden sollten.“

Flaschen-Sauerstoff auch auf der Liste

Prof. Thomas Küpper

Prof. Thomas Küpper

Die Medizinische Kommission der UIAA hat Medikamente und Drogen benannt, die von Bergsteigern genutzt werden. In der Liste taucht auch Sauerstoff auf. Darüber sei besonders heftig diskutiert worden, heißt es in dem Bericht. Das habe daran gelegen, dass Sauerstoff beim Höhenbergsteigen traditionell fest etabliert sei und in manchen Ländern nicht als Medikament angesehen werde, erklärt Professor Küpper. Außerdem gebe es Daten, nach denen die Todesrate an Bergen über 8500 Metern deutlich niedriger sei, wenn Bergsteiger zur Sauerstoffflasche griffen. „Meine Meinung dazu: Wer das braucht, gehört nicht dort oben hin“, stellt Küpper klar. „Per Definition ‚Methode, die artifiziell Leistung steigert‘ ist es Doping, denn es macht aus einem 8000er einen hohen 6000er.“

Neue Kategorie?

Der Weltverband will die Bergsteiger und Kletterer mit seinem Medikamenten-Bericht für die Problematik sensibilisieren. Zu jedem Wirkstoff sind auch mögliche gefährliche Nebenwirkungen aufgeführt. Der Bericht sei jedoch auch ein Appell für fairen Sport, sagt Thomas Küpper: „Die UIAA ist keine Drogenpolizei. Wer es unbedingt will, soll es halt einwerfen, aber dann auch fair genug sein, dies nach einer erfolgreichen Besteigung anzugeben. Es würde dann nicht nur die Unterscheidung mit/ohne Zusatzsauerstoff geben, sondern als weitere Kategorie mit/ohne Medikamente.“

Datum

20. Oktober 2014 | 11:38

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