Ungewöhnliches Erfolgsteam
Viel ging nicht in diesem Sommer an den Achttausendern im Karakorum. „Es war einfach zu warm und die Bedingungen zu gefährlich“, schrieb mir die deutsche Bergsteigerin Billi Bierling, die sich erfolglos am Broad Peak versucht hatte. Dort gelangten nur der Argentinier Mariano Galvan und der Pole Andrzej Bargiel auf den Gipfel, beide im Alleingang. Bargiel gelang eine Skiabfahrt bis ins Basislager. Bei einem Lawinenabgang kam ein pakistanischer Hochträger ums Leben.
Vom K 2 kehrten alle Expeditionen ohne Gipfelerfolg heim. Den höchsten Punkt des Gasherbrum II erreichten immerhin 13 Bergsteiger. Auch dort gab es einen Todesfall. Der Pole Olek Ostrowski verschwand und wurde nicht mehr gefunden. Am benachbarten Gasherbrum I war bisher – zwei Tschechen sind noch am Berg – nur ein Dreierteam erfolgreich, mit dabei ein deutscher Bergsteiger, geboren in meiner Heimatstadt Köln.
23 Stunden unterwegs
Am 24. Juli um 16 Uhr Ortszeit erreichte Thomas, genannt „Tom“ Seidensticker mit dem Spanier Ferran Latorre und dem Franzosen Yannick Graziani den 8080 Meter hohen Gipfel (das Video unten hat Yannick gedreht). „Wir sind ohne Flaschensauerstoff geklettert, im Alpinstil“, schreibt mir Tom. Weil viel Schnee gelegen habe und die Lawinengefahr groß gewesen sei, habe das Trio nicht die Normalroute nehmen können. „Wir sind im unteren Teil hauptsächlich über Felsen geklettert, sehr technisch in dieser Höhe und sehr steil“, sagt der 48-Jährige. Sie seien in etwa der „German Route“ gefolgt, die Günter Sturm, Michel Dacher und Sigi Hupfauer 1982 in der Nordwestwand eröffnet hatten. Die Gipfeletappe von Lager 3 zum höchsten Punkt und zurück habe 23 Stunden gedauert, berichtet Tom. Sie seien in die Nacht hinein abgestiegen, und das bei schlechter Sicht. „Es war extrem spannend und ist zum Glück gut ausgegangen. Ich habe meinen Teil zum Gipfelerfolg beigetragen.“
Ein Hobby-, zwei Profibergsteiger
Seidensticker bezeichnet sich selbst als Hobbybergsteiger. Der Investmentbanker lebt seit 20 Jahren in der tunesischen Hauptstadt Tunis. Im September 2014 bestieg er mit dem Manaslu in Nepal seinen ersten Achttausender – mit Flaschensauerstoff. Seine beiden Teamkameraden am Gasherbrum waren Profis. Für Latorre war es bereits der elfte Achttausender. Graziani sorgte im Oktober 2013 für Furore, als er mit seinem Landsmann Stéphane Benoist die erst zwei Wochen zuvor von Ueli Steck im Alleingang eröffnete Route durch die Annapurna-Südwand wiederholte, bei deutlich schlechteren Verhältnissen als der Schweizer.
„Et voila“
Seidenstickers ursprünglich vorgesehener Seilpartner hatte sich bei einem Kletterunfall schwer am Knie verletzt und für den Gasherbrum absagen müssen. Graziani hörte von Toms Plänen im Karakorum und meldete sich bei dem Deutschen. Beide kannten sich seit etwa zehn Jahren und waren mehrfach im Mont-Blanc-Gebiet zusammen geklettert. 48 Stunden nach Graziani rief Latorre an, der wiederum von den neuen Plänen des Franzosen gehört hatte. „Et voila, da hatte ich zwei Top-Stars im Team“, freut sich Tom noch heute. „Deshalb bedeutet mir die Expedition auch sehr viel. Wann hat ein Hobbybergsteiger wie ich schon einmal die Chance, mit zwei Profis von höchstem Niveau wochenlang zu klettern?“ Die Seilschaft habe gut harmoniert, sagt Tom. „Ich habe wirklich alles erlebt, was man an Positivem an einem Achttausender erleben kann.“ Gipfel inklusive.