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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Steck und Göttler: Fünf Fragen, fünf Antworten

Ueli Steck (l) und David Göttler

Ueli Steck (l) und David Göttler

Die Idee hat ihn nicht losgelassen. Als der Schweizer Topbergsteiger Ueli Steck vor fünf Jahren die Südwand der 8027 Meter hohen Shishapangma in Tibet in nur zehneinhalb Stunden solo durchkletterte, entdeckte er eine mögliche neue, direkte Linie. In diesem Frühjahr ist der 39-Jährige, zusammen mit dem 37 Jahre alten deutschen Profibergsteiger David Göttler zu der 2000 Meter hohen Wand zurückgekehrt, um sich an der neuen Route zu versuchen. Wenn alles perfekt läuft, planen die beiden, vom Gipfel aus über die Nordseite abzusteigen, den Achttausender also zu überschreiten.

Bevor sie nach Tibet weiterreisten, akklimatisierten sich Ueli und David im nepalesischen Everest-Gebiet – unter anderem mit Bergläufen über extrem lange Distanzen. Ich habe den beiden fünf Fragen ins Basislager unterhalb der Shishapangma-Südwand geschickt.

Ueli und David, auf den Bildern, die ihr in den vergangenen Wochen via Facebook veröffentlicht habt, erinnert ihr mich irgendwie an Speedy Gonzales oder Road Runner, zwei Trickfilm-Figuren meiner Kindheit: ständig im Hochgeschwindigkeitsmodus, weil gejagt. Dazu erfahren wir von euch, dass der jeweils andere richtig, richtig fit ist. Mal ehrlich, wer von euch beiden jagt hier eigentlich wen? Oder wovor seid ihr auf der Flucht?

Schnell unterwegs

Schnell unterwegs

Frage zurück, wer von uns ist jetzt Speedy Gonzales und wer Roadrunner? Wir sind überhaupt nicht auf der Flucht. Wir haben einfach einen riesen Spaß zusammen! Es macht Spaß, zusammen unterwegs zu sein. Wir wissen beide, dass wir ähnlich fit sind. Keiner muss dem anderen etwas beweisen und auch nicht verstecken. Wir haben eine super positive Energie im Team. Es funktioniert einfach. Und daraus entsteht eine geniale Dynamik!

Die meisten Höhenbergsteiger akklimatisieren sich eher nach der Devise: mit den Kräften haushalten, damit am Ende für das eigentliche Ziel ausreichend Power übrig bleibt. Ihr lauft stattdessen im Khumbu eine Strecke von 57 Kilometern über mehrere Pässe in 12 dreiviertel Stunden. Welche Logik steckt hinter dieser High-Speed-Akklimatisierung?

Höhenbergsteigen wird doch meistens immer noch betrieben wie zu Messners Zeiten. Ich persönlich (Ueli) sehe keinen großen Fortschritt. Klar muss man aufpassen, weil z.B auf 5000 Meter die Regeneration länger dauert und sich auch wirklich jeder sehr individuell in der Höhe verhält. Kilian Jornet (spanischer Skibergsteiger und Bergläufer) zum Beispiel ist der Meinung, dass man locker jeden Tag 50 Kilometer laufen kann! Ich bin auch noch weit davon entfernt, aber es zeigt, was für Potential vorhanden wäre. Am Schluss musst du einfach deinen Körper kennen. Und jeder muss für sich entscheiden und einschätzen, wie hoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ist, und wie schnell er aufsteigen oder sich in der Höhe bewegen kann. Wir beide haben doch relativ viel Erfahrung in der Höhe und können daher auch ein bisschen probieren, was man noch optimieren könnte, ohne uns gleich komplett auszupowern.

Ihr habt inzwischen euer Basislager an der Shishapangma-Südwand bezogen. Wie präsentiert sich euch die Wand, in der ihr eine neue Route klettern wollt, sprich: Wie sind die Verhältnisse?

Wir waren bereits am Einstieg. Ganz einfach gesagt: Es sieht genial aus. Jetzt hoffen wir, das bleibt so, bis wir dann ein passendes Wetterfenster bekommen. 

Worauf kommt es euch bei der geplanten Erstbegehung, evtl. sogar mit anschließender Überschreitung des Gipfels, vor allem an? Ästhetik der Linie, Geschwindigkeit, Schwierigkeit, Spaß …?

Uelis Route 2011 durch die Shishapangma-Südwand

Uelis Route 2011 durch die Shishapangma-Südwand

Die Linie spricht für sich. Eine direkte logische Linie auf einen Achttausender, das ist schon etwas Faszinierendes. In erster Linie wollen wir einfach über diese Route auf den Gipfel und gesund wieder nach Hause kommen. Wie schnell wir sind, werden wir sehen – je nach technischen Schwierigkeiten. Wir werden ganz normal sichern, mit Seil und Haken. Ob wir zwei Tage brauchen, einen oder drei, ist völlig egal. Aber wir sind beide nicht unbedingt sehr motiviert, möglichst viel am Berg zu übernachten. Die Überschreitung wäre sicher noch das Sahnehäubchen.

Am Montag hat sich der Tag des verheerenden Erdbebens in Nepal zum ersten Mal gejährt. Wie habt ihr in den vergangenen Wochen die Menschen im Himalaya erlebt?

Die Menschen gewöhnen sich an die Erdbeben und die Situation. Es ist beeindruckend, wie sich die Nepali an ein wenig Wackeln gewöhnt haben, was auch wieder passiert ist, als wir im Khumbu unterwegs waren. Aber was bleibt ihnen auch anderes übrig, als es zu nehmen, wie es kommt. Und es ist wirklich genial, wie alles schon wieder normal ist und funktioniert. 

Datum

30. April 2016 | 19:48

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