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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Sportkletterer Halenke: „Olympia als Türöffner“

Sebastian Halenke in Aktion

Sebastian Halenke in Aktion

Die Olympische Flagge ist schon da, die Kletterer kommen in vier Jahren. Heute präsentierte Gouverneurin Yuriko Koiki am Tokioter Flughafen Haneda die Flagge mit den Olympischen Ringen, die ihr der Bürgermeister von Rio bei der Abschlussfeier der dortigen Spiele übergeben hatte. Erstmals werden 2020 in Tokio auch Sportkletterer ganz offiziell um Medaillen wetteifern (eine Woche vor den Winterspielen 1992 in Albertville gab es schon einmal einen Demonstrationswettbewerb, den Stefan Glowacz gewann). „Als Wettkampfkletterer begrüße ich diese Entwicklung natürlich grundsätzlich!“, sagt Sebastian Halenke mit Blick auf die Olympia-Premiere. „Bis jetzt ist das Klettern als Wettkampfsport noch kaum medienpräsent und selbst innerhalb der Kletterszenerie wird über die Wettkämpfe oft nur sehr spartanisch berichtet.“ Der 21-Jährige aus Baden-Württemberg, dessen Markenzeichen sein roter Irokesenschnitt ist, gehört im Weltcup zu den Top Ten in der Disziplin Lead, also im Vorstiegs- oder auch Schwierigkeitsklettern. Dabei müssen die Kletterer nach kurzer Ansicht eine Route innerhalb eines Zeitlimits möglichst weit sturzfrei klettern.

Abhängig von der Familie

climbing-olympicsDie Förderung für Wettkampfkletterer sei „noch sehr unzureichend und es ist nicht einfach als solcher zu (über-)leben“, schreibt mir Sebastian, der noch jung genug ist, um realistische Chancen auf einen Start in Tokio zu haben. „Persönlich hoffe ich, dass Olympia 2020 dabei ein Türöffner sein könnte, um Wettkampfklettern populärer zu machen und perspektivisch die Möglichkeit besteht, als Wettkampfkletterer ein höheres Maß an Unterstützung zu erhalten.“ Bisher seien die Kletterer „praktisch von der familiären Unterstützung abhängig, und nur mit einem soliden finanziellem Hintergrund hat man tatsächlich die Chance, sich als Wettkämpfer auch zu entwickeln.“

Saisonziel Nr. 1: WM in Paris

Halenke kletterte bereits mit zwölf Jahren seinen ersten Jugend-Wettkampf. Heute gehört er zur Weltspitze. Am vergangenen Wochenende belegte er beim Weltcup in Imst in Österreich den fünften Rang, seine bisher beste Platzierung in diesem Jahr. Die Formkurve steigt. Sein Saisonziel Nummer eins in diesem Jahr ist die Weltmeisterschaft vom 14. bis 18. September in Paris, für die er sich viel vorgenommen hat.

Kehrseite der olympischen Medaille

Sebastian-Halenke-IIWie alle Kletterer, mit denen ich bisher gesprochen habe, sieht auch Sebastian die für Tokio geplante Kombination aus den drei Disziplinen Lead, Bouldern und Speed zu einem einzigen Wettbewerb kritisch. Die besten Allrounder sollen also mit Medaillen belohnt werden. „Es wird nicht leicht sein, in solch einem Format das Klettern mit all seinen Disziplinen gut zu präsentieren“, sagt der Lead-Spezialist.
Bisher sind die Sportkletterer eine verschworene Gemeinschaft. Sebastian Halenke fürchtet, dass sich das ändern könnte, wenn die Sportart nun olympisch wird. „Ich hoffe, dass das Klettern im Wettkampfsport von ausufernder Korruption verschont bleiben wird und dass sich das sehr familiäre Verhältnis der internationalen Klettergemeinschaft auch in Zukunft halten wird. Bis jetzt haben alle Topathleten immer ein sehr enges, soziales Verhältnis.“ Ginge es verloren, wäre das die Kehrseite der olympischen Medaille.

Datum

24. August 2016 | 15:03

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