Zwei schnelle Männer am Everest: Jornet und Steck
„Ich fühle mich wirklich akklimatisiert und stark in der Höhe“, sagte Kilian Jornet. Und das schon bevor er am Wochenende Richtung Himalaya startete. Als Training für seine Achttausender-Expedition war der Speed-Spezialist mit seiner schwedischen Freundin Emelie Forsberg in Norwegen geklettert und am Tag vor dem Abflug noch bei der Trofeo Mezzalama gestartet, einem der klassischen Rennen für Skibergsteiger. Dabei hatte Kilian im Team mit den Schweizern Martin Anthamatten und Werner Marti bei den Männern den zweiten Rang belegt, Emelie hatte den Wettbewerb der Frauen an der Seite der Schweizerin Jennifer Fiechter und der Französin Laetitia Roux gewonnen. Über die nepalesische Hauptstadt Kathmandu reisten Jornet und Forsberg nach Tibet. Innerhalb der nächsten zwei Wochen wollen sie den Cho Oyu besteigen, mit 8188 Metern der sechsthöchste Berg der Erde. „Wenn alles klappt, könnten wir etwa am 7. oder 8. Mai auf dem Gipfel stehen“, sagte Emelie, für die es die erste Erfahrung an einem Achttausender ist. Und Kilian ergänzte: „Für mich wird es eine gute Vorbereitung für den Everest, weil ich dann bei der Ankunft dort noch besser akklimatisiert sein werde.“
Leicht und schnell
Der 29 Jahre alte Katalane präzisierte seinen Plan für eine Speed-Besteigung des höchsten Bergs der Erde. Die peilt er für Ende Mai an. Begleitet wird Jornet diesmal am Everest nur von Kameramann Sébastien Montaz-Rosset. Er wolle entweder über das Norton- oder das Hornbein-Couloir zum Gipfel aufsteigen, sagte Kilian, „natürlich abhängig von den Bedingungen am Berg“. Zunächst plant er weitere Akklimatisierungstouren vom vorgeschobenen Basislager auf 6300 Metern aus. Dann will Jornet für seinen Speedversuch zum Kloster Rongbuk auf 5000 Metern zurückkehren, der letzten dauerhaft bewohnten Siedlung unterhalb des Gipfels. Von dort aus will er den Berg, wenn möglich, in einem Zug besteigen, ohne Flaschensauerstoff. „Leicht und schnell. Es gibt Leute, die meinen, das ist Wahnsinn“, sagt Kilian. „Aber für mich ist der Berg ein Raum, in dem jeder frei sein sollte, das zu tun, was er meint, schaffen zu können. Ich mag es, leicht unterwegs zu sein. Auf diese Weise verbringt man weniger Zeit in der Höhe und wird nicht so schnell müde, auch wenn einem bewusst sein sollte, dass die Expedition risikoreicher wird.“ Im Herbst vergangenen Jahres hatten die Schneemassen am Everest verhindert, dass Jornet überhaupt einen ernsthaften Speed-Versuch machen konnte.
Steck: „Sehr gute Bedingungen“
Auch Ueli Steck ist ein schneller Mann, der übrigens auch schon mit Jornet gemeinsam im Eiltempo bergsteigen war. Der Schweizer Topbergsteiger ist schon seit fast zwei Wochen auf der Südseite des Mount Everest. Gerade hat der 40-Jährige zwei Nächte in Lager zwei auf 6400 Metern verbracht. „Schönes Wetter und warm“, schreibt Ueli auf Facebook. „Ich habe die Chance ergriffen und einen Blick Richtung Westschulter geworfen. Bisher sind die Bedingungen sehr gut. Aber das kann sich innerhalb eines Monats natürlich ändern.“ Sein Kletterpartner Tenjing Sherpa hat sich nach Uelis Worten Erfrierungen zugezogen. „Hoffentlich heilen sie bald aus, so dass wir wieder gemeinsam am Berg unterwegs sein können.“ Steck hat sich für dieses Frühjahr die Everest-Lhotse-Überschreitung vorgenommen. Wenn es die Bedingungen zulassen, will er über den selten begangenen Westgrat und das Hornbein-Couloir den Gipfel erreichen, dann zum Südsattel ab- , und (über die vom gebürtigen Kasachen Denis Urubko 2010 eröffnete Variante) zum 8611 Meter hohen Gipfel des Lhotse aufsteigen – wie immer bei seinen Achttausender-Projekten ohne Flaschensauerstoff. In dieser Aneinanderreihung ist die Traverse noch nie versucht worden. „Das wäre mein Traumding“, sagte mir Ueli vor der Expedition. „Aber ich bin auch realistisch und habe genug Erfahrung, um zu wissen, dass es nur klappen kann, wenn sehr, sehr viel stimmt. Es müssen perfekte Verhältnisse herrschen, das Wetter muss gut und stabil sein. Ich glaube, es ist wichtig, dass man Ideen hat, aber am Ende am Berg entscheidet, was möglich ist und was nicht.“