More DW Blogs DW.COM

Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Gefahrenraum Zelt

Camp 1 am Kokodak Dome (2014)

Das Zelt ist doch eigentlich ein Ort der Zuflucht und Geborgenheit. Und meistens fühlte ich mich auch sicher, wenn ich in den Bergen im Zelt lag. Doch es gab auch Ausnahmen. Etwa 2004 während meiner Reportagereise zum K 2, als ich im Basislager zu Füßen des zweithöchsten Bergs der Erde plötzlich aus dem Schlaf aufschreckte, weil der Gletscher unter meinem Zeltboden Geräusche machte, als wollte er mich im nächsten Augenblick verschlingen. Zehn Jahre später, bei der Erstbesteigung des Siebentausenders Kokodak Dome im Westen Chinas, schlugen wir unser Lager 1 auf gut 5500 Metern an ziemlich exponierter Stelle auf – und ich fragte mich: Was geschieht, wenn hier einmal ein richtiger Sturm wütet? Daran musste ich wieder denken, als ich Anfang der Woche vom Tod des Italieners Simone La Terra am Dhaulagiri erfuhr.

Ungutes Gefühl

Dhaulagiri

Ein heftiger Windstoß hatte den 36-Jährige mitsamt Zelt aus einer Höhe von rund 6900 Metern vom Nordostgrat in die Tiefe geweht. Sein Teampartner Waldemar Dominik war Augenzeuge des Unglücks. Der Pole hatte wegen des Lagerplatzes, den Simone ausgeguckt hatte, ein ungutes Gefühl gehabt und war weitergestiegen, um nach einer Alternative zu suchen. Als er zurückkehrte, sah er aus unmittelbarer Nähe, wie das Zelt von der Bö erfasst wurde. Dominik stieg zum Basislager ab und schlug Alarm. Die Leiche La Terras wurde am nächsten Tag auf einer Höhe von 6100 Metern entdeckt und geborgen.

Von Lawinen begraben

Manaslu

Dass Bergsteiger im Zelt sterben, ist keine Seltenheit. Objektiv gesehen, besteht das höchste Todesrisiko im Zelt darin, dass der Sensenmann in Form der Höhenkrankheit zuschlägt. Doch wie in La Terras Fall gibt es eben auch äußere Gefahren. In der Geschichte des Himalaya-Bergsteigens sind zahlreiche Bergsteiger ums Leben gekommen, weil sie, im Zelt liegend, von Lawinen erwischt wurden. Erinnert sei nur an die Lawine am 22. September 2012 am Achttausender Manaslu, die am frühen Morgen gleich zwei Hochlager traf und elf Bergsteiger tötete.

Knapp an der Tragödie vorbei

Alexander (r.) und Thomas Huber im Sommer 2015 im Karakorum

Mehr Glück hatten Alexander und Thomas Huber im Sommer 2015 am 6946 Meter hohen Latok III im Karakorum. Die „Huberbuam“ und ihre Teampartner Mario Walder und Dani Arnold wurden in ihrem Zelt von der Druckwelle einer Eislawine erfasst. „Wir hatten das Glück, dass wir eine kleine Plattform ausgeschaufelt hatten, um die Zelte perfekt zu positionieren. Und die kleine Kante, die dabei entstanden ist, hat uns das Leben gerettet. Sonst wären wir einfach weggeblasen worden“, erzählte mir Alexander Huber anschließend. „Es war viel, viel knapper, als ich es mir jemals hätte erträumen lassen. Und das ist doch schockierend.“

An der Felskante entlang geblasen

Auch bei der dritten Besteigung des Kangchendzönga 1979 durch eine britische Expedition fehlte nicht viel zu einer „Zelt-Tragödie“, als im Gipfelbereich ein Sturm losbrach. „Am 5. Mai um 1.30 Uhr morgens änderte der Wind die Richtung und nahm schnell an Stärke zu, wodurch der Mittelring des doppelwandigen Tunnelzeltes zerbrach“, schrieb Doug Scott damals. „Das Team hatte schnell Stiefel und Gamaschen an, aber um 2.30 Uhr wurde das Zelt zwei Fuß (ca. 60 Zentimeter) entlang der Felskante geblasen.“ Die Bergsteiger verließen im Eiltempo das Zelt. Wenig später wurde es vom Sturm zerrissen und verschwand in der Tiefe.

P.S.: Nach dem ersten Gipfelerfolg der Frühjahrssaison am Lhotse wurde am Donnerstag ein weiterer von einem anderen Achttausender gemeldet. Die „The Himalayan Times“ berichtete, die Chinesin Gao Xiaodan habe gemeinsam mit ihren Climbing Sherpas Nima Gyalzen Sherpa, Jit Bahadur Sherpa und Ang Dawa Sherpa den 8485 Meter hohen Gipfel des Makalu erreicht, des fünfthöchsten Bergs der Erde. Die 35-Jährige aus der Stadt Lanzhou, im Nordwesten Chinas gelegen, habe auf Flaschensauerstoff verzichtet. Gao hatte im Frühjahr 2017 erst den Mount Everest und drei Tage später anschließend auch noch den Lhotse bestiegen, jeweils mit Atemmaske.

Datum

4. Mai 2018 | 11:37

Teilen