Latok I: Wie hoch kamen Gukov und Glazunov?
Kein Foto, kein Video, keine GPS-Daten. Wo genau am Siebentausender Latok I im Karakorum die beiden Russen Alexander Gukov und Sergey Glazunov am Abend des 23. Juli ihren Aufstieg beendeten, lässt sich nicht eindeutig nachweisen. Der GPS-Tracker der beiden funktionierte nicht richtig. Die Mini-Kamera, mit der sie den Aufstieg dokumentiert hatten, trug Sergey bei sich, als er am 25. Juli tödlich abstürzte. Die Leiche des 26-Jährigen konnte nicht geborgen werden. Zwei Tage zuvor hatten die beiden Russen im Nebel ihren höchsten Punkt erreicht. „19 Uhr. Sergey kletterte eine kleine Spalte zwischen einem Felsen und einem schneebedeckten Serac hinauf. Ich stand zehn Meter unter ihm. Der Schnee steilte sich fast senkrecht auf“, erinnert sich Alexander auf „mountain.ru“, wo heute eine englische Übersetzung seiner Äußerungen veröffentlicht wurde.
„Ich fühlte nicht den Gipfel“
„Ich startete die Videoaufnahme und kommentierte, dass wir irgendwo hinaufkletterten. ‚Was meinst du mit irgendwo? Das ist der Latok I, Sanya“, schrie mir Sergey zu. ‚Hol mich nach!‘, rief ich zu ihm hoch. ‚Das ist unrealistisch, Sanya. Hier ist alles mit Schneepilzen bedeckt, und es geht überall senkrecht runter‘, antwortete Sergey und begann abzusteigen.“ Stand Sergey wirklich auf dem höchsten Punkt des Latok I auf 7145 Metern? Er zweifle daran, räumt Gukov ein: „Ich fühlte nicht den Gipfel, ich erinnere mich nicht an den Vorgipfel-Grat, wir standen nicht zusammen da oben, umarmten und freuten uns über den Gipfel, so wie ich es mir erträumt hatte“, schreibt Alexander auf „mountain.ru“. „Ich denke, es war die Spitze des Nordgrats, der ‚Westgipfel‘ des Latok I.“
Entweder Nordgrat-Spitze oder Hauptgipfel, sagt Gukov
Ich frage bei dem 42-Jährigen nach, ob er überzeugt sei, dass er und Sergey den Nordgrat wirklich bis zu dessen Ende geklettert seien. „Natürlich bin ich sicher“, antwortet mir Gukov. Die einzige Alternative sei, dass es sich – wie Sergey annahm – bei dem höchsten Punkt ihres Anstiegs nicht um den höchsten Punkt des Nordgrats, sondern um den Hauptgipfel des Latok I gehandelt habe. Eigentlich, schreibt Alexander auf „mountain.ru“ weiter, „spielt es für mich gar keine Rolle, ob wir den 360 Meter langen Gipfelgrat geklettert sind oder nicht.“ Es sei eine gute Klettertour gewesen, so Gukov. Obwohl er und Sergey erstmals gemeinsam unterwegs gewesen seien, hätten sie als Team gut harmoniert.
Nach dem Absturz Glazunovs hatte Gukov fast eine Woche lang am Nordgrat auf 6200 Metern festgesessen, ehe er von einem pakistanischen Rettungshubschrauber am langen Seil aus der Wand geflogen worden war. Er war stark dehydriert und hatte Erfrierungen an den Füßen. „Ich erhole mich ziemlich schnell“, schreibt mir Alexander aus Russland. Weiter gute Besserung!