David Göttler: „Mehrere Achttausender im Visier“
Sie haben zwei Zuhause. Den Winter verbringen der deutsche Profibergsteiger David Göttler und seine Lebensgefährtin Monica Piris in Chamonix am Mont Blanc, den Sommer in Monicas Heimat Nordspanien, zwischen Bilbao und Santander, „da, wo Spanien noch richtig grün ist“, schwärmt David. In diesem Sommer war Göttler – wie berichtet – mit leeren Händen aus Pakistan zurückgekehrt. Das schlechte Wetter hatte ihm und seinem Teamkameraden, dem Italiener Hervé Barmasse, am 7932 Meter hohen Gasherbrum IV im Karakorum einen Strich durch die Rechnung gemacht. Gestern feierte Göttler in Spanien seinen 40. Geburtstag – nicht in den Bergen, sondern auf der Baustelle, wie er mir erzählt, als ich ihm nachträglich gratuliere: „Ich habe meinen Trainingsraum fertiggestellt. Von daher war es auch ein guter Tag.“
40 Jahre, David, das ist schon eine Marke. Viele blicken dann auf ihr Leben zurück oder schmieden Pläne für die Zukunft. Du auch?
Für mich war es eigentlich ein ganz normaler Geburtstag. Allerdings grübelt man schon ein bisschen darüber nach, dass jetzt vielleicht die Mitte des Lebens erreicht ist. Ich habe nicht das Gefühl, etwas verpasst oder falsch gemacht zu haben. Aber ich freue mich auch auf die nächsten 40 Jahre. Mein Vater wird im nächsten Winter 79 Jahre alt und ist noch jeden Tag in den Bergen unterwegs, mit dem Gleitschirm oder Snowboard oder beim Klettern. Wenn ich von diesen Genen nur ein bisschen geerbt habe, dann habe ich noch weitere 40 gute Jahre vor mir. Gerade im Höhenbergsteigen kann ich jetzt noch in den nächsten Jahren gute Sachen machen. Und darauf freue ich mich total.
Hast du vielleicht gestern auch an Ueli Steck gedacht, mit dem zusammen du im Frühjahr 2016 an der Shishapangma-Südwand warst. Er ist im vergangenen Jahr am Nuptse tödlich abgestürzt – mit vierzig Jahren. Machst du dir Sorgen, du könntest auch selbst einmal die Schraube überdrehen?
Ich versuche eigentlich immer, sehr bewusst mit dem Risiko umzugehen – wie Ueli es übrigens auch getan hat. Ich habe gestern im Laufe des Tages schon mal an ihn gedacht, aber eher mit Blick auf meine Zukunft: Es wäre so schön gewesen, mit ihm neue Ziele planen zu können.
Welche Ziele hast du dir denn gesteckt?
Ich habe mir erst mal vorgenommen, im Flachland einen Marathon in einer vernünftigen Zeit zu laufen. Das werde ich wahrscheinlich Anfang Dezember angehen. Auf längere Sicht, für die nächsten etwa fünf Jahre, habe ich ein paar Achttausender, die mich besonders interessieren. Auch der Gasherbrum IV, an dem Hervé und ich in diesem Sommer waren, ist noch auf der Liste.
Welche Achttausender hast du konkret im Visier?
Ich habe mich noch nicht entschieden, in welcher Reihenfolge ich sie angehe. Aber einer der Achttausender auf meiner Liste ist der Kangchendzönga, an dessen faszinierender Nordseite 2003 meine Achttausenderkarriere begann und an dem ich mich gerne noch einmal versuchen möchte. Dann der Nanga Parbat, ein super spannender Berg, an dem ich schon einmal im Winter war (2014 hatte er mit dem Polen Tomek Mackiewicz ein Höhe von 7200 Metern erreicht). Der Mount Everest ohne Sauerstoff ist für mich ebenfalls noch ein Ziel, auch wenn dort so viele Menschen unterwegs sind. Ich würde es gerne mal ausprobieren, wie sich die letzten quasi 400 Höhenmeter mehr anfühlen im Vergleich zu den anderen Achttausendern, die ich bisher gemacht habe (David hat bisher fünf 8000er bestiegen: Gasherbrum II, Broad Peak, Dhaulagiri, Lhotse und Makalu). Auch der Gasherbrum I, den ich mir in diesem Sommer vom G IV aus angesehen habe, bietet noch viele Möglichkeiten für neue oder ungewöhnliche Touren jenseits des Normalwegs.
Du warst mit Herve Barmasse am Gasherbrum IV. Wie ist es euch dort ergangen?
Es war vom Wetter her eine super merkwürdige Saison im Karakorum. Die Leute wurden vielleicht von der Nachricht geblendet, dass es am K 2 so viele Gipfelerfolge wie nie zuvor gab. Aber auch am K 2 ist der Kommerz inzwischen angekommen: Von unten bis oben wird der Weg gesichert, viele Sherpas sind im Einsatz, treten die Spur und stellen die Lager auf. Fast alle waren mit Sauerstoff oben. An den anderen Achttausendern sah es ganz anders aus. Am Gasherbrum I und am Gasherbrum II etwa waren jeweils nur zwei Bergsteiger am Gipfel, Luis Stitzinger und Gianpaolo Corona am G I, Adam Bielecki und Felix Berg am G II. Das schlechte Wetter und die daraus resultierenden schwierigen Bedingungen am Berg haben uns auch am Gasherbrum IV zu schaffen gemacht und einen wirklichen Gipfelversuch verhindert.
Wie hoch seid ihr gekommen?
Unseren höchsten Punkt haben wir noch während der Akklimatisationsphase mit 7100 Metern erreicht, unterhalb der Ostwand. Beim Gipfelversuch sind wir nur bis Lager 1 auf 6000 Metern gekommen. Es hat die ganze Nacht geschneit, am Morgen immer noch, dazu null Sicht. Wegen zu hoher Lawinengefahr sind wir dann umgekehrt.
Nicht nur ihr seid wegen des anhaltend schlechten Wetters mit leeren Händen heimgekehrt. Wie schon in den letzten Jahren waren die Verhältnisse in der klassischen Sommersaison im Karakorum problematisch. Sollte man wegen der Auswirkungen des Klimawandels später im Jahr anreisen?
Wir haben im Basislager darüber diskutiert. Vielleicht muss man wirklich nicht mehr zu diesen „Old-School-Wetterfenstern“ anreisen, in denen früher die besten Verhältnisse herrschten. Das Klima verschiebt sich. Nicht nur niederschlagsreiche, sondern auch zu heiße und trockene Sommer sind für viele Projekte eher schlecht. Ich denke, man muss vielleicht künftig wirklich experimentieren und zu anderen Zeiten in den Karakorum reisen. In der klassischen Sommersaison scheint es immer schwieriger zu werden.