Bergsteigen nach Sendeplan
Der Wettlauf um den Titel „Erste Frau auf allen Achttausendern“ geht in die entscheidende Phase. Die Koreanerin Oh-Eun Sun ist an der 8091 Meter hohen Annapurna zu ihrem ersten Gipfelversuch aufgebrochen. Für das Wochenende wird stabiles Wetter erwartet. Begleitet von zwei Kameraleuten will „Miss Oh“ am Sonntag den höchsten Punkt erreichen. Nicht irgendwann, sondern zur besten Sendezeit in ihrer Heimat. Der südkoreanische Fernsehsender KBS hat von 13 bis 15.20 Uhr Ortszeit (6 bis 8.20 Uhr Mitteleuropäische Sommerzeit) eine Live-Übertragung von der Annapurna angesetzt. Achttausender-Bergsteigen nach Sendeplan, bizarr!
Oh Eun Sun fast am Ziel
Doch irgendwie passt es auch zu Ohs „Projekt 14“, das seit 2007 generalstabs- mäßig geplant und durchgeführt wurde. Damals bestieg sie zwei Achttausender, 2008 drei, 2009 vier. Auf sauberen Stil wurde kein Wert gelegt, es zählte allein, die Gipfel abzuhaken.
Die beste Linie
Die Spanierin Edurne Pasabán erholt sich von den Strapazen ihres Erfolgs an der Annapurna. Nach einem Zwischenstopp in Kathmandu will sie in Tibet ihren 14., noch fehlenden Achttausender besteigen: die 8027 Meter hohe Shishapangma.
Die Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner und ihr Mann Ralf Dujmovits haben derweil an der tibetischen Nordseite des Mount Everest ihre erste Erkundungstour hinter sich. „Nach fünf Jahren standen wir nun wieder direkt vor der Everest-Nordwand“, schreiben die beiden in ihrem Expeditionstagebuch. „Werden wir es diesmal schaffen durchzusteigen? Ständig suchten die Augen nach der bestmöglichen Linie.“ 2005 hatten es die Wetterverhältnisse nicht zugelassen, dass Gerlinde, Ralf und ihr japanischer Freund Hirotaka Takeuchi wie geplant in die „Supercouloir“-Route einstiegen.
Am Hintern gekitzelt
Gerlinde in der ersten Seillänge der Everest-Nordwand
Am Wandfuß in 6200 Metern Höhe testeten die Eheleute aus Bühl im Schwarzwald jetzt in der ersten Seillänge die Beschaffenheit des Eises. „Nun haben wir dem Everest gerade mal am Hintern gekitzelt“, meinte Ralf. Erkenntnis: Kaum Stein- und Eisschlag, dafür aber fast durchgängig hartes Blankeis. In den kommenden Tagen wollen die beiden, wie schon 2005, vom zentralen Rongbukgletscher zum Everest-Nordsattel aufsteigen, um sich weiter zu akklimatisieren.
Bei ihrer Rückkehr ins Basislager könnte die Nachricht von der ersten Frau auf allen Achttausendern schon um die Welt gegangen sein. Gerlinde, die das ständige Gerede um den Wettlauf nervt, würde sicher aufatmen. Aber möglicherweise kommt ja auch alles ganz anders – und KBS muss am Sonntag, statt live von der Annapurna, eine Konserve senden. Vielleicht von einem koreanischen Tanzturnier oder so.