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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Schlaflos in Innsbruck

Wer einen Achttausender besteigen will, muss nicht nur das Bergsteigen beherrschen, sondern auch geduldig sein. Tagelang, manchmal wochenlang warten die Gipfelanwärter auf das kleine Wetterfenster, das eine Chance für einen Gipfelversuch bietet. Auch Gerlinde (Kaltenbrunner) und Ralf (Dujmovits) müssen sich im vorgeschobenen Basislager auf dem zentralen Rongbukgletscher auf der tibetischen Nordseite des Mount Everest in Geduld üben. Starker Wind und extreme Kälte im Gipfelbereich lassen es noch nicht zu, dass die beiden wie geplant in die Nordwand einsteigen. „Die ersten Tage nach unserer Rückkehr (von einer Akklimatisierung-Tour auf der Normalroute bis auf eine Höhe von 7600 Metern) waren notwendig, um auszurasten und uns zu regenerieren nach den Tagen und Nächten in der Höhe“, schreibt Gerlinde in ihrem Tagebuch. „Nun aber wären wir mehr als erholt und warten sehnlich auf gute Nachrichten von Charly Gabl.“


Karl Gabl an seinem Arbeitsplatz in Innsbruck

Präziser Wetterfrosch

Dieser Name fällt häufig, wenn Extrembergsteiger im Himalaya, im Karakorum, in den Anden, den Rocky Mountains oder sonstwo auf ihre Gipfelchance warten. Der 63 Jahre alte Meteorologe aus Innsbruck gilt in der Szene als Wetter-Guru, als Koryphäe für Wettervorhersagen bei Expeditionen. „Ich möchte mich nicht als Guru bezeichnen“, sagt Karl, genannt Charly Gabl bescheiden, als ich ihn im vergangenen Herbst an seinem Arbeitsplatz in der Wetterdienststelle Innsbruck besuche. „Eigentlich interpretiere ich nur die Wettermodelle.“
Charly Gabl irrt sich bei seinen Vorhersagen ganz selten. Unfehlbar sei er aber nicht, schränkt er ein – und nennt als Beispiel eine plötzlich auftauchende „Gewitterzelle“ am Manaslu 2007, die für 60 Zentimeter Neuschnee in zwei Stunden sorgte. Ich erinnere mich noch genau. Während die anderen zum Gipfelversuch aufgebrochen waren, wartete ich damals im Basislager.
Nachts sackte vor meinen Augen unser Mannschaftszelt unter den Schneemassen in sich zusammen. Stundenlang buddelten unser Koch Sitaram, ein Küchenhelfer und ich anschließend alle Zelte aus.


Basislager nach Durchzug der ‚Gewitterzelle‘

Zeltnachbar mit Ärmelschonern

Von meinen beiden Expeditionen zur Everest-Nordwand und zum Manaslu weiß ich, dass Ralf und Gerlinde Charly Gabl fast hundertprozentig vertrauen. „Er hat uns zum Teil halbe Tage herausgefischt, an denen das Wetter gut war und wir tatsächlich als Einzige auf dem Gipfel standen“, erzählte mir Ralf einmal. Erst wenn der Österreicher grünes Licht gibt, steigen Ralf und Gerlinde auf. Auf die beiden hält Gabl große Stücke, besonders mit seiner Landsfrau Gerlinde verbindet ihn eine jahrelange Freundschaft: „Ich rühme mich immer, ihr Zeltnachbar zu sein; leider mit Ärmelschonern, 3000 Kilometer entfernt im Büro sitzend.“
Im Gegensatz zu einigen Kollegen bietet der Innsbrucker Meteorologe seine Dienste übrigens kostenlos an. Schließlich bezahle ihn ja der Staat, sagt Gabl. Warum sollte er also seine Freunde zur Kasse bitten?

Tod als Begleiter

Gabl ist selbst Bergführer, war 15 Mal im Himalaya und Karakorum unterwegs, ist vom 7492 Meter hohen Noshaq, dem höchsten Berg Afghanistans, mit Skiern abgefahren und hat eine Route am 6768 Meter hohen Huascaran in den Anden erstbegangen. Bergsteiger-Profi ist er dennoch nicht geworden. Als Vater zweier Kinder war ihm das Risiko zu hoch.
Charly Gabl ist ein verantwortungsvoller Mensch. Und darum lässt es ihn auch nicht kalt, wenn ein Bergsteiger schließlich seiner Empfehlung folgt und zum Gipfelversuch aufbricht. „Ich bin 24 Stunden im Dienst. Manchmal schlafe ich auch schlecht. Ich fiebere dann mit, weil ich Angst habe, dass der Bergsteiger am nächsten Tag nicht mehr anrufen kann.“ Gabl hat viele Freunde in den Bergen verloren. „Der Tod ist bei diesem Risikosport ein Begleiter.“

Interview mit Charly Gabl im Herbst 2009

Datum

12. Mai 2010 | 22:24

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