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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Mit 24 schon ein Oldie

Als ich heute mit dem Zug zur Arbeit fuhr und auf die zwar tauenden, aber immer noch dick verschneiten Felder sah, fragte ich mich: Was machen bei diesem Wetter eigentlich die Slackliner? Spannen die auch jetzt im Park ihre Leine zwischen die Bäume und schlagen in der Daunenjacke ihre Saltos, um bei einem Fehlversuch in den weichen Schnee zu purzeln? Oder gibt es wie bei den Fußballern eine Winterpause für Slackliner?


Bernd Hassmann kann derzeit vom Slacklinen leben

Wettkönig bei Gottschalk

Dass man von diesem neuen Trendsport sogar leben kann, habe ich von Bernd Hassmann gelernt. Der Münchner hat einen Slackline-Hersteller als Sponsor, der ihn zwei Jahre lang unterstützt, so dass sich Bernd voll auf seinen Sport konzentrieren kann. Die breite Öffentlichkeit wurde Ende Februar auf Hassmann aufmerksam, als er Kandidat in der von Thomas Gottschalk moderierten populären Fernsehsendung „Wetten, dass..?“ war. Per „buttbounce“ (übersetzt heißt das, mit Verlaub, „Arschhüpfer“) ließ er acht Luftballons platzen, die unter der Leine im Abstand von je einem Meter auf dem Boden befestigt waren (hier geht es zum Video). „Wette gewonnen, Wettkönig geworden und Auto mit nach Hause genommen“, bilanziert Bernd (unser Gespräch könnt ihr unter dem Artikel nachhören).


Bernd in Aktion, beim „backflip“, einem Salto rückwärts

Ursprung im Yosemite

Das Slacklinen „erfunden“ haben übrigens Anfang der 1980er Jahre die Kletter-Freaks im legendären Camp 4 im Yosemite-Nationalpark, die sich an Ruhe- oder Regentagen die Zeit damit vertrieben, auf Parkplatz-Absperrketten oder Seilen zu balancieren. Heute wird dazu meist ein 15 Meter langes, zweieinhalb bis fünf Zentimeter breites Gurtband verwendet. Mit einer Ratsche bringt man die „schlappe Leine“ (Slackline) auf Spannung. Damit die lieben Bäume nicht leiden, sollte ein Schutz für die Rinde nie fehlen.

Immer geschicktere Einsteiger

Bernd ist seit viereinhalb Jahren Slackliner. Er genieße es, mit seinen Freunden in der Natur unterwegs zu sein, Spaß haben und neue Tricks entwickeln. „Das ist ein so junger Sport. Mit ein bisschen Kreativität kann eigentlich jeder einen Teil dazu beitragen, dass der Sport weiter und weiter wächst.“ Mit seinen 24 Jahren gehört Hassmann schon zu den Oldies der Szene. Die Einsteiger werden jünger und geschickter. Der im November beim International Mountain Summit in Brixen gekrönte erste „Weltmeister im Slacklinen“, Maurice genannt „Momo“ Wiese, ist gerade einmal 15 Jahre alt. „Es kommen immer mehr nach, die viel schneller lernen“, hat Bernd beobachtet. Er selbst habe eineinhalb Jahre gebraucht, um sich überhaupt sicher auf dem Seil bewegen zu können und statische Tricks einzustudieren. Heute gehöre der „buttbounce“ schon zum Übungs-Repertoire der Anfänger.


Stephan Siegrist auf einer Highline im Berner Oberland

Highline lockt

Der Extremkletterer, Fotograf und Filmemacher Heinz Zak hat das Slacklinen in Europa populär gemacht. 2006 veranstaltete Zak in seinem Heimatort Scharnitz in Tirol das erste internationale Treffen der Seilkünstler. Inzwischen gibt es mehrere Spielarten der Sportart, etwa das Waterlinen über fließende oder stehende Gewässer – oder auch das bei Extrembergsteigern wie Alexander Huber, Dean Potter oder eben Heinz Zak beliebte Highlinen über schwindelerregende Schluchten. „Das ist einfach eine komplett andere Herausforderung, weil es sehr viel mit der mentalen Stärke zu tun hat“, sagt Bernd, den es durchaus auch juckt, selbst einmal auf die hohe Leine zu steigen. Wintertauglich dürfte die Bergvariante allerdings noch weniger sein als das normale Slacklinen im Park.

Interview mit Slackliner Bernd Hassmann

Datum

22. Dezember 2010 | 13:34

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