Nützlicher Dreck
Wie habe ich das Geröll verflucht! Sogar ein Klagelied habe ich 2004 über die Steine des Baltoro geschrieben, als ich den Gletscher im Karakorum (was übersetzt „schwarzes Geröll“ bedeutet) auf meinem Weg zum Basislager des K 2 überquerte. Jetzt muss ich mein Urteil wohl revidieren. Die Felsbrocken, die sich auf dem Eis zur Ruhe gesetzt haben, sind in Zeiten des Klimawandels durchaus nützlich.
Steine bedecken den Baltoro-Gletscher
Die einen so, die anderen so
Das Geröll wirke ab einer gewissen Dicke „wie eine Wärmedämmschicht“, erklärt Dr. Dirk Scherler (Das Gespräch könnt ihr unter dem Artikel nachhören). „Die Schmelzrate des Eises verringert sich stark.“ Der Wissenschaftler hat mit Kollegen des Instituts für Geowissenschaften an der Universität Potsdam Satellitenbilder von 286 Gletschern im Himalaya und Karakorum ausgewertet. Die Aufnahmen entstanden in einem Zeitraum von acht Jahren. Sie belegen, dass sich derzeit 70 Prozent der Himalaya-Gletscher zurückziehen. „Einige langsamer, andere schneller. Das hängt unter anderem mit der Steilheit des Gletschers und der Schuttbedeckung zusammen.“
Trugschluss möglich
Mit anderen Worten: Gletscher können nicht über einen Bergkamm geschoren werden. Im zentralen Himalaya etwa gibt es laut Scherler Gletscher, die sich nicht zurückziehen. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es ihnen gut geht. Vielmehr sorgen der Schutt an der Oberfläche und eine schwache Neigung dafür, dass das Eis nicht mehr fließt. „Das lässt darauf schließen, dass diese Gletscher stagnieren“, erklärt der Wissenschaftler. „Sie werden nicht mit genügend Eis von stromaufwärts gefüttert.“
Schwierige Prognosen
Ganz anders viele Gletscher im Karakorum. 58 Prozent der großen Eisbänder gelten nach der Studie der Potsdamer als stabil oder wachsen sogar um bis zu zwölf Meter pro Jahr. „Diese Gletscher fließen im Gegensatz zu jenen im zentralen Himalaya zum Teil mit sehr hohen Geschwindigkeiten“. Das könne nicht allein mit der Geröllauflage erklärt werden.
Es gibt also noch jede Menge zu erforschen. „Prognosen weit in die Zukunft greifen nicht. Schon gar nicht im Himalaya, wo die Datengrundlage so dürftig ist“, meint Geowissenschaftler Dirk Scherler. Eines aber stehe fest. „Der Klimawandel kann nicht wegdiskutiert werden.“ Steine hin oder her.