Lunger/Moro: Erst beim Papst – und dann?
Am Donnerstag beginnt der (kalendarische) Winter – und damit stellt sich auch wieder die Frage: Wer versucht sich in der kalten Jahreszeit an welchem Berg? Eine hochkarätig besetzte polnische Expedition unter Leitung von Altmeister Krzysztof Wielicki wird versuchen, den K 2 zu besteigen, den letzten im Winter noch unbestiegenen Achttausender. Der Pole Tomek Mackiewicz und die Französin Elisabeth Revol sind angeblich bereits in Pakistan eingetroffen, um erneut den Nanga Parbat anzugehen.
Und was machen die Südtirolerin Tamara Lunger und der Italiener Simone Moro? Beide gelten als extrem „winterfest“. Der 50 Jahre alte Simone hat gleich vier Wintererstbesteigungen von Achttausendern auf dem Konto (Shishapangma 2005, Makalu 2009, Gasherbrum II 2011, Nanga Parbat 2016). Die 31-jährige Tamara versuchte sich mit Moro im Winter 2015 vergeblich am Manaslu. Ein Jahr später am Nanga Parbat musste sie nur 70 Meter unterhalb des Gipfels umkehren, weil es ihr schlecht ging. In diesem Advent hatten Lunger und Moro bereits ein Gipfeltreffen: mit dem Papst. Ich habe bei Tamara nachgefragt:
Tamara, zwei Profibergsteiger (Simone und du) machen ein Selfie mit Papst Franziskus, wie kam es dazu?
Don Marco Pozza, ein Gefängnispriester aus Padua, hat uns zu einer Sendung eingeladen, die „Padre nostro“ heißt, also „Vaterunser“. Davon gab es sechs Folgen, jeweils mit anderen Persönlichkeiten. Dazu wurden Geschichten aus dem Leben erzählt, Schicksale, und es gab zu jeder Sendung auch einen Kommentar des Papstes. Das war ein Riesenerfolg, nicht nur in Italien, auch international. Der Papst hat gesagt: „Alle diese Leute haben uns ihre Zeit geschenkt, was könnten wir ihnen im Gegenzug schenken?“ Marco antwortete: „Vielleicht eine Messe im Vatikan, inklusive Händeschütteln mit dem Papst.“ Der Papst meinte dann: „Das können wir nicht machen, weil ja nicht alle an Gott glauben. Eine Privataudienz ist besser.“ So kam es dazu. Ungefähr 30 Leute – das ganze Produktionsteam und die Teilnehmer – waren beim Papst im Vatikan. Das war wirklich eine schöne Stunde. Mir hat es persönlich sehr viel gegeben, weil ich sehr gläubig bin.
Hattet ihr Gelegenheit, mit dem Papst auch ein paar Worte zu wechseln?
Jeder von uns musste sich kurz vorstellen, was er in seinem Leben macht. Dann hat der Papst über die Passion gesprochen, über die Leidenschaft: „Ihr habt mir heute viel geschenkt, weil jeder von euch – ob Gläubiger oder nicht – das, was ihr tut, mit so einer großen Leidenschaft macht. Das ist auch göttlich.“ Anschließend hat er uns noch den Segen gegeben und allen ein Buch über das Vaterunser, das er zusammen mit Marco Pozza geschrieben hat, und einen Rosenkranz geschenkt.
Was bedeutet dir persönlich die Begegnung?
Für mich war es natürlich sehr schön, weil ich sehr gläubig bin. Aber ich habe auch gesehen, dass er nur ein normaler Mann ist. Er gibt sich so normal, dass er fast nicht auffällt. Sein Umfeld ist zwar bemüht, alles organisatorisch so super wie möglich ablaufen zu lassen, aber er selbst würde es wahrscheinlich ganz anders machen. Ich habe in seine Augen gesehen und er in meine, dabei habe ich etwas ganz Schönes gespürt. Deshalb wäre es noch viel schöner, wenn man mit diesem Mann einfach mal so bei einem Glas Wein sitzen und mit ihm ratschen könnte.
Am Nanga Parbat im Winter 2016 musstest du 70 Meter unter dem Gipfel umkehren. Das war bitter. Am Kangchendzönga im letzten Frühjahr platzte die geplante Überschreitung der vier Gipfel des Massivs, weil es Simone schlecht ging. Brauchst du für deine Motivation mal wieder ein Erfolgserlebnis?
Nein, weil ich gesehen habe, dass ich auch ohne Gipfel immer mit einer großen Lehre nach Hause komme. Am Nanga Parbat war mein Erlebnis für mich viel wertvoller als „nur“ ein Gipfel. Der Weg ist das Ziel. Natürlich ist der Gipfel das Tüpfelchen auf dem i. Aber die Erfahrung und das, was man daraus lernt, werden einem während der Reise geschenkt. Wenn es nicht so einfach ist, den Gipfel zu erreichen und es gewisse Schwierigkeiten gibt, ist es zwar währenddessen etwas unschön. Aber wenn man nach Hause kommt, versteht man, dass es das Beste war, das einem passieren konnte.
In den Alpen hat der Winter schon Einzug gehalten, der Beginn des kalendarischen Winters steht vor der Tür. Wirst du in der kalten Jahreszeit auf Expedition gehen? Und wenn ja, wohin?
Ja, ich gehe wieder auf Expedition, Ich habe zwei Monate gebraucht, um mich dafür zu entscheiden. Ich werde wieder mit Simone unterwegs sein. Leider kann ich nicht mehr dazu sagen. Aber es wird sau-, sau-, saukalt. Ich habe schon begonnen, mich im Kopf darauf vorzubereiten. Schauen wir mal, wie es wird.
Wie verbringst du die Weihnachtstage?
Ich werde viele gute Kekse von meiner Mama essen. (lacht) Ich freue mich einfach, bei meiner Familie zu sein und vielleicht mit ihnen etwas zu unternehmen, Skitouren zu gehen, Eisklettern und so weiter.
Auch Simone Moro hatte mir Ende Oktober mitgeteilt, dass die nächste Expedition „wahrscheinlich die kälteste Besteigung wird, die ich jemals versucht habe“. Ohne jetzt spekulieren zu wollen 🙂 – am Mount Everest fällt das Thermometer im Januar schon mal auf bis zu minus 60 Grad Celsius. Und hatte nicht Alex Txikon nach seinem gescheiterten Winterversuch in diesem Jahr Simone und Tamara eingeladen, es 2018 mit ihm zu versuchen? Der pakistanische Bergsteiger Muhammad Ali Sadpara hat jedenfalls heute ein „großes Everest-Projekt 2017/18“ angekündigt. Liege ich mit meiner Vermutung richtig, wäre das erfolgreiche Winterteam vom Nanga Parbat 2016 wieder komplett. Ich fände es toll und spannend.
P.S.: Für alle, die meinen Buchtipp zu Tamaras Erstling verpasst haben: Ich kann euch die Lektüre wirklich nur empfehlen.