Mingma Gyalje Sherpa: „Niedriger Preis, wenig Sicherheit“
„Nepalesische Bergsteiger sind bis heute der Schatten ausländischer Bergsteiger“, sagt Mingma Gyalje Sherpa. „Klar, die Ausländer bezahlen sie gut für diese Arbeit, und das erkenne ich auch an. Aber ich habe das Gefühl, dass die nepalesischen Bergsteiger nicht so wertgeschätzt werden, wie sie es eigentlich verdienen.“ Der 31-Jährige leitet den Expeditionsveranstalter Dreamers Destination und gehört zur neuen Generation von Sherpa-Unternehmern: jung, gut ausgebildet, seriös und erfolgreich. Mingma ist auch ein ausgezeichneter Bergsteiger. Er hat bereits acht Achttausender bestiegen, im Herbst 2015 sorgte er mit seiner Solo-Erstbegehung der Westwand des 6685 Meter hohen Chobutse international für Schlagzeilen. Mingma träumt davon, den Everest ohne Flaschensauerstoff zu besteigen, nachdem er bereits fünfmal mit Atemmaske oben war. In diesen Tagen leitet er eine kommerzielle Expedition am Dhaugaliri. Für ein Porträt Mingmas, das gerade in der Zeitschrift “Allmountain” veröffentlicht wurde, machte ich ein kleines Interview mit ihm, das ich euch nicht vorenthalten will.
Mingma, in den vergangenen Jahren haben sich einige westliche Expeditionsveranstalter vom Everest zurückgezogen und als Begründung den Preiskrieg mit lokalen Veranstaltern in Nepal genannt. Geht diese Schlacht weiter?
Ich glaube, dass es derzeit nur sehr wenige Veranstalter in Nepal gibt, deren Angebote sich mit denen westlicher Anbieter messen können. Die Mehrheit bietet immer noch die gleichen Dienste an wie zuvor. Westliche Anbieter punkten vor allem damit, dass sie eher praktisch orientiert sind und den Sicherheitsaspekt betonen. Daran mangelt es den nepalesischen Unternehmen noch. Nur einige wenige von ihnen beschäftigen Bergführer mit einem Patent der UIAGM (Internationale Vereinigung der Bergführerverbände) und nutzen einen wirklich guten Wetterbericht. Fast alle heuern lokale Bergführer an und verfügen über keinen angemessenen Wetterbericht. Eigentlich ist kein Preiskrieg, aber natürlich spielt der Preis eine Rolle. Am Ende entscheidet der Kunde. Westliche Unternehmen veröffentlichen auf ihren Internetseiten ihre Preise im Detail. Nepalesische Veranstalter machen das nicht. Damit können sie jede mögliche Expedition zu jedem Preis anbieten.
Dein Unternehmen Dreamers Destination hat den Preis für seine Everest-Expedition in diesem Jahr deutlich angehoben – auf 50.000 US-Dollar für eine „Luxusvariante“? Willst du dich damit von den nepalesischen „Discount-Anbietern“ abgrenzen?
Definitiv, ich möchte nicht zu den nepalesischen Discount-Anbietern gezählt werden. Schließlich geht es bei Expeditionen auch um das Leben der Bergsteiger, und dabei will ich kein Risiko eingehen. Warum fordern wir mehr Geld von unseren Kunden? Weil wir in der Lage sein sollten, alle Dienste bereitzustellen, die das Leben der Bergsteiger und Sherpas sichern. Wir wollen hinterher nicht mit Argumentationen daherkommen wie: „Oh, unser Kunde hat nicht genug gezahlt! Deshalb konnten wir keine gute Ausrüstung und keinen vernünftigen Wetterbericht kaufen. Und so gab es leider einen Unfall am Berg.
Ich bin ein Bergführer mit UIAGM-Zertifikat. Während der Ausbildung wurde uns beigebracht, unser besonderes Augenmerk auf die Sicherheit zu legen. Und für die kannst du nur sorgen, wenn du über eine Ausrüstung verfügst, die getestet wurde und sich bewährt hat, außerdem brauchst du gut ausgebildetes Personal und einen sehr genauen Wetterbericht. Es ist nicht nötig, dass jeder Kunde auch einen eigenen Guide mit UIAGM-Zertifikat hat, aber wenigstens einer sollte im Team sein. Ich versuche, das auf meinen Expeditionen umzusetzen, deswegen musste ich den Preis anheben. So machen es auch einige wenige andere nepalesische Anbieter, etwa Ascent Himalayas und Tag Nepal.
Es gab Berichte, dass nepalesische Billiganbieter Personal mit wenig Höhenerfahrung beschäftigen, auf Kosten der Sicherheit. Kannst du das bestätigen?
Ja, das kann ich bestätigen. Wenn sie weniger Geld verlangen, als eigentlich fällig wäre, können sie sich auch nur entsprechendes Personal leisten. Und das ist der am ehesten greifbare Grund für Unfälle im Himalaya.
Hältst du es für nötig, Regeln und Standards im Bergtourismus einzuführen, um die Schwarzen Schafe auszusortieren?
Ich halte es für unmöglich, von oben Regeln und Standards im Berggeschäft zu setzen. Ich denke, die Veranstalter und die Bergsteiger müssen selbst dafür sorgen, dass sie umgesetzt werden.
Welche Vorteile haben lokale Anbieter vergleichen mit jenen aus dem Ausland?
Eigentlich sind es nur die geringeren Kosten. Obwohl ausländische Anbieter lokale Agenturen benötigen, um Expeditionen in Nepal zu veranstalten, ist ihr Management nach wie vor wesentlich besser. Ich sollte das eigentlich nicht sagen, aber so ist es nun einmal.
Hältst du es für denkbar, dass es eines Tages nur noch nepalesische Anbieter gibt, die Expeditionen zum Everest und anderen Achttausendern veranstalten?
Ich schätze die Chance auf 50/50. Es gibt Bergsteiger, die sich westlichen Veranstaltern anvertrauen, und andere, die zu den nepalesischen Anbietern gehen. Es hängt davon ab, ob die Kunden zufrieden sind.
Jedes Unternehmen möchte Profit machen. Ist es schwierig, die Balance zwischen den kommerziellen Interessen auf der einen Seite und der Sorge um die Sicherheit der Kunden auf der anderen Seite zu finden? Wie viel Profit darf sein?
Jeder, der Geschäfte macht, will auch Profite einfahren. Der Tourismus ist einer jener Bereiche, in denen man mit relativ niedrigen Investitionen gute Gewinne einstreichen kann. Aber ich finde, bei Expeditionen sieht das ein bisschen anders aus. Solange alles gut läuft, hast du keine Probleme, und es ist profitabel. Aber wenn ein Unfall am Berg geschieht und jemand stirbt, geht es ans Eingemachte. Du verlierst einen Freund, dein Eigentum. Die Familie des Opfers schneidet dich, bedroht dich sogar manchmal. Du musst den Nachkommen viel Geld zahlen, dein Ruf in der Branche ist ruiniert. Das ist alles andere als gut. Ich denke also, die Gewinnmarge hängt von der Schwierigkeit des Bergs ab.
Einige Kritiker sagen, das kommerzielle Bergsteigen sei der Tod des Abenteuers. Wie siehst du das?
Früher war das Abenteuer beim Bergsteigen natürlich größer. Aber obwohl das Ganze nun kommerzialisiert ist, gibt es immer noch Abenteuer.