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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

„Bergidylle“ der speziellen Art

Iranische Bergsteiger und ihre Beschützer

Iranische Bergsteiger und ihre Beschützer

Schwerbewaffnete Polizisten im Basislager – ganz ehrlich, mir würde das die Freude am Bergsteigen gründlich vermiesen. Demnächst sollen diese Spezialtrupps in Pakistan nicht nur die Ausnahme sein, sondern zur Regel werden, zumindest an Prestigebergen wie dem Nanga Parbat (8125 Meter), dem K 2 (8611 Meter) oder dem Rakaposhi (7788 Meter) und auch in vielbesuchten Lagern auf den Gletschern im Norden des Landes. In der Region Gilgit-Baltistan wurde in dieser Woche eine Spezialeinheit der Polizei für große Höhen vorgestellt. Sie ist zunächst 50 Mann stark und soll später auf 100 Polizisten aufgestockt werden. Die Sicherheitskräfte erhalten Spezialkleidung gegen die große Kälte und werden von Bergsteigern trainiert, damit sie im Notfall auch bei Rettungsaktionen helfen können.  In erster Linie aber werden sie zum Schutz der Bergsteiger abgestellt. „Wegen der andauernden Militäroffensive im Land gibt es ein hohes Risiko von Vergeltungsangriffen. Wir können es uns nicht leisten, dass sich ein Zwischenfall wie der am Nanga Parbat wiederholt“, sagte Polizeisprecher Mubarak Jan. Im Juni 2013 hatten islamistische Terroristen im Basislager auf der Diamir-Seite, der Nordwest-Seite des Bergs, elf Bergsteiger erschossen. Einem der später verhafteten mutmaßlichen Attentäter gelang es heute, aus einem Gefängnis in Gilgit auszubrechen. Ein weiterer wurde bei seinem Ausbruchsversuch getötet.

Automatische Waffen statt Kalaschnikows

Einige Profibergsteiger wie der Russe Denis Urubko  oder die deutschen Brüder Alexander und Thomas Huber hatten sich 2014 wegen großer Sicherheitsbedenken gegen Expeditionen nach Pakistan entschieden. Im Sommer 2014 schlug keine einzige Expedition ihre Zelte am Nanga Parbat auf. Im letzten und auch in diesem Winter jedoch reisten Bergsteiger in das unsichere Gebiet nahe der Grenze zu Afghanistan. Das Anschlagsrisiko wird in der kalten Jahreszeit als geringer eingestuft. Zudem lockt der Nanga Parbat, weil er neben dem K 2 der einzige Achttausender ist, der noch nie im Winter bestiegen wurde. Schon im Winter 2014 erhielten westliche Bergsteiger eine Polizeieskorte bis ins Basislager. Die Polizisten waren damals noch mit Kalaschnikows bewaffnet. Die Sicherheitskräfte, die derzeit im Basislager auf der Diamir-Seite die noch sieben Bergsteiger aus Spanien, Italien, Iran und Pakistan schützen sollen, tragen automatische Waffen. Auch wenn die Iraner ihre Polizei-Begleiter als „herzlich und freundlich“ beschreiben,  kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Bergsteiger nicht doch zuweilen mit einem mulmigen Gefühl in ihren Zelten aufwachen.

Gemeinsamer Gipfelversuch

Geplante Aufstiegsroute

Geplante Aufstiegsroute

Wahrscheinlich fühlen sie sich erst dann wirklich sicher, wenn sie – wie jetzt – am Berg unterwegs sind: Der Baske Alex Txikon, der Italiener Daniele Nardi, die Iraner Mahmood Hashemi, Reza Bahadorani und Iraj Maani sowie die beiden Pakistaner Muhammad Ali und Muhammad Khan brachen heute zu einem Gipfelversuch auf. Sie erreichten Lager 1 auf 5050 Metern. „Es sieht aus, als ob Dienstag oder Mittwoch die besten möglichen Gipfeltage wären“, heißt es im Blog von Alex Txikon. Bis auf eine Höhe von 6700 Metern haben die Bergsteiger Materialdepots angelegt. Die werden sie nach den heftigen Schneefällen der vergangenen Tage wohl erst einmal freischaufeln müssen. Das Lawinenrisiko dürfte beträchtlich sein.

Ungeduld zügeln

Am "Naike-Sattel" auf 5700 Metern

Am „Naike-Sattel“ auf 5700 Metern

Ganz ohne Polizeischutz haben sich Tamara Lunger und Simone Moro derweil in ihrem Basislager am Manaslu in Nepal eingerichtet und habe ihre Route bis auf ein Höhe von etwa 5900 Metern erkundet. Für die 28 Jahre alte Südtirolerin ist es die erste Winterexpedition im Himalaya. Sie müsse sich in Geduld üben, schreibt Tamara auf ihrer Homepage. „In Gedanken wäre ich morgen schon auf 7000 Metern und beim nächsten Gutwetterfenster am Gipfel (sofern es uns vergönnt ist). Aber dank Simone, der ja genug Erfahrung hat, kann ich meine Vorstellungen einigermaßen zügeln und versuche einfach, immer nach einem meiner Vorsätze zu leben: den Moment genießen.“ Simone Moro ist ein alter Winter-Hase. Die Expedition zum Manaslu ist seine 13. in der kalten Jahreszeit. Drei Winter-Erstbesteigungen von Achttausendern gehen auf das Konto des Italieners: Shishapangma (2005), Makalu (2009) und Gasherbrum II (2011).

Update 28.2.: Die Bergsteiger am Nanga Parbat haben auf 5300 Metern umgedreht und sind ins Basislager abgestiegen. „Zu viel Schnee heute, gefährlich“, twitterte Alex Txikon. „Ich werde weitermachen.“ Die drei iranischen Bergsteiger haben sich jedoch angeblich entschlossen, ihre Winterexpedition wegen der gefährlichen Verhältnisse am Berg zu beenden.

Datum

27. Februar 2015 | 17:24

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