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Treffpunkt - Buluşma Noktası

Türkische und deutsche Kultur im Dialog

Türken gehen nicht ins Theater

Ein Transparent über der Berliner Naunynstraße (Foto: Şirin Manolya Sak)

Die Naunynstraße ohne Türken ...

Türken gehen nicht ins Theater, weil sie bildungsfern sind und sich sowieso nicht für die deutsche Kultur interessieren. Und tatsächlich: Ob im Berliner Wintergarten, der Philharmonie oder der Deutschen Oper – kaum sitzt man auf seinem Platz und lässt den Blick durch die Publikumsreihen schweifen, fällt immer wieder Eines auf: Es sind so gut wie keine Deutschtürken da. Ein bestätigtes Vorurteil?

Nein, denn im Ballhaus Naunynstraße bietet sich seit einigen Jahren ein ganz anderes Bild: In dem Off-Theater in Berlin-Kreuzberg tüfteln Hakan, Neco und Shermin regelmäßig an neuen Stücken. Hier ist es normal, dass Burak, Emel und José neben Lisa und ihrer Mutter Momo sitzen und gemeinsam die Uraufführung der Reihe „Vibrationshintergrund“ beklatschen. Doch was ist im Ballhaus Naunynstraße anders als in anderen Theatern?

Liegt der Erfolg des kleinen Hauses an der Lage im so genannten „Little Istanbul“ in Berlin-Kreuzberg?

Kulturelles Interesse wecken

Das Off-Theater war allerdings nicht immer in aller Munde und so scheint es, als würden für den Erfolg des Hauses andere Faktoren eine Rolle spielen. Das kulturelle Interesse von Menschen zu wecken ist keine Frage der Herkunft weiß Shermin Langhoff, die hinter der Erfolgsgeschichte des Kreuzbergers Ballhaus Naunynstraße steht. Sie war diejenige, die das postmigrantische Theater 2008 am Szene-Theater in Berlin gründete und dafür weit über die Landesgrenzen hinaus auf sich aufmerksam machte.

Für die Theatermacherin steht am Anfang der schleppenden interkulturellen Öffnung an Theatern, die wenig durchdachte Verteilung der Mittel: „Interkulturalität an Theatern beginnt mit ‚PPP‘ – Personal, Programm und Publikum. Alles hängt zusammen. Dort, wo die finanziellen Ressourcen für das Personal gering sind, wird der Zugang von Menschen mit biografischer Interkulturalität und Interreligiosität verlangsamt.“ Das künstlerische Programm wiederum hänge von dem Personal an einem Haus ab, sagt Langhoff. Das Angebot eines Theaters entspringe schließlich aus dem geistigen Gut des Personals und sowohl die Leitung als auch die Dramaturgie müsse echtes Interesse an innovativen Stücken haben. Dem entsprechend müsse die Akquise des Hauses aussehen, fährt sie fort.

Der Zugewinn an interkulturellem Publikum komme dann, laut Langhoff, ganz von alleine: „Es hat nicht unbedingt etwas mit den gleichen ethnischen Wurzeln zu tun, wenn sich der Zuschauer mit der Geschichte oder der Figur in einem Stück identifizieren will. Es geht dabei eher um ähnliche Perspektiven und der Wahrnehmung und Reflektion der eigenen Lebenswelt.“

Vielfalt auf und hinter den Bühnen

Shermin Langhoff, die ihre Arbeit als Intendantin des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin ab der Spielzeit 2013/14 aufnimmt, spricht sich öffentlich immer wieder für die Förderung von Kunst von und mit Migranten aus. Dabei geht es ihr nicht nur um die Förderung der freien Szene, ganz im Gegenteil – Langhoffs Visionen einer bunten Kulturlandschaft machen nicht vor großen Häusern halt. Sie erhofft sich mehr Vielfalt auf und hinter den Bühnen von Staatstheatern und –opern.

In diesem Zusammenhang erwähnt Langhoff anerkennend die Arbeit ihrer jüdischstämmigen Kollegin an der Berliner Philharmonie, Pamela Rosenberg, die die Reihe „Alla turca“ initiierte. Auch Jürgen Flimm an der Staatsoper hätte ernsthafte Neugier an neuen Wegen in der künstlerischen Darbietung gezeigt und bereits mit Neco Çelik an einer Operette gearbeitet. Gemeinsam mit 22 Jugendlichen brachte der türkeistämmige Film- und Theaterregisseur „Moskau Tscherjomuschki“ von Dmitri Schostakowitsch an die Staatsoper.

„Man kann sich nur wünschen, dass mehr Intendanten wie die geschätzten Kollegen Rosenberg und Flimm an dem Thema festhalten. Dafür ist es allerhöchste Zeit, denn meiner Meinung nach hätte man das postmigrantische Theater auch schon 20 Jahre vor mir machen können. Heute ist das Interesse so groß, dass es fast schon grotesk erscheint: „Vor Kurzem haben sich einige Häuser um die wenigen Künstler migantischer Herkunft gestritten“, erinnert sich Langhoff.

Nachwuchsförderung in der Szene

Besonders die Nachhaltigkeit in der kulturellen Arbeit liegt Langhoff am Herzen und sieht darin auch ihren persönlichen Erfolg. „Mir war es immer wichtig, den Nachwuchs in der Szene zu fördern und somit ganz neue Texte in ganz neuen Stücken zu ermöglichen. Mit tollen Nachwuchskünstlern, wie Hakan Savaş Mican, haben wir erfolgreich inszeniert und einen Grundstein für weitere Schritte gelegt.“

Für Langhoff geht die interkulturelle Arbeit in der Berliner Theaterszene weiter und durch ihr Beispiel wird klar, welchen kulturellen Zugang Theaterstücke von und mit Migranten schaffen. Ganz unabhängig von ethnischer Herkunft, kulturellem Vorinteresse und Schulabschluss der Eltern, kann man Berliner Türken in die Loge locken. Das Vorurteil „Türken gehen nicht ins Theater“ stimmt also nicht. Türken gehen eben nur noch nicht in jedes Theater …

Datum

Freitag, 14.09.2012 | 13:01

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