„Der Everest-Rekord bedeutet mir nichts“
Phurba Tashi ist kein Mann vieler Worte. Der 45-Jährige antwortet freundlich, aber kurz. „In diesem Jahr werde ich definitiv nicht auf den Mount Everest steigen“, erzählt mir Phurba, als wir für ein paar Minuten auf einer Bank vor seiner „Tashi Friendship Lodge“ im Dorf Khumjung Platz nehmen. Eigentlich hat er gar keine Zeit, denn seine Familie ist zu einer religiösen Zeremonie zusammengekommen, um Phurbas Eltern zu gedenken, die beide im vergangenen halben Jahr gestorben sind. Einige buddhistische Mönche sind dazu in seine Lodge gekommen. „Der Tod meiner Eltern ist auch der Grund, warum ich diesmal auf den Aufstieg verzichte“, sagt Phurba.
Nur im Basislager
21-mal hat er den höchsten Punkt der Erde bereits erreicht. Gemeinsam mit Apa Sherpa (der seine Karriere längst beendet hat) hält Phurba Tashi damit den Rekord der meisten Everest-Besteigungen. Mit 28 Jahren war er erstmals oben, 2013 zum bisher letzten Mal. In einigen Saisons bestieg Phurba den Everest zwei- oder sogar dreimal. In diesem Frühjahr wird er im Basislager bleiben, um die Arbeit der Climbing Sherpas zu koordinieren – für den neuseeländischen Expeditionsveranstalter Himalayan Experience. „Ich habe schon bei 30 bis 40 Expeditionen für Russell Brice gearbeitet, den Chef von Himex“, erzählt Phurba. In diesem Frühjahr bestehe das Team nur aus sechs Kunden.
Schwarzes Jahr gilt nicht für Bergsteiger
„Ich glaube, dass es in dieser Saison Gipfelerfolge geben wird“, sagt Phurba. „In diesem Winter hatten wir wenig Schnee. Und die Icefall Doctors leisten gute Arbeit.“ Die buddhistischen Lamas hätten zwar für die Sherpas ein schwarzes Jahr vorhergesagt, aber das betreffe nicht die Bergsteiger. „2017 werde ich vielleicht wieder selbst aufsteigen – wenn alles zusammenpasst.“ Ob es ihn nicht jucke, alleiniger Everest-Rekordhalter zu werden, will ich wissen. „Nein, der Rekord bedeutet mir nichts“, antwortet Phurba. „Es ist viel wichtiger, wieder gesund herunterzukommen. Schließlich habe ich eine Frau und fünf Kinder, die ich versorgen muss.“
Dann verabschiedet sich Phurba Tashi. Er müsse zurück zur Familie. Als wenig später einer der Mönche an die frische Luft tritt, frage ich ihn, ob das vorausgesagte schwarze Jahr für die Sherpas wirklich nicht für Bergsteiger gelte. Der Mönch lacht und meint: „Alles gut. Die können ruhig dort hinaufsteigen.“
Kokosnuss mit Haaren
In Khumjung bestaunte ich auch den berühmten „Yeti-Schädel“. Der lagert in einem Tresor in der Gompa, dem kleinen Kloster des Dorfes. Für 250 Rupien (etwa 2,50 Euro) öffnet ein alter Angesteller der Gompa, der die Schlüsselgewalt hat, kurz den Tresor. Und da liegt neben ein paar Butterlampen der vermeintliche Schädel des angeblichen Himalaya-Ungeheuers – und sieht doch eher aus wie eine Kokosnuss mit Haaren. 😉
P.S.: Ich werde mich jetzt möglicherweise ein paar Tage lang nicht melden. Geplant ist, zum Gokyo Ri aufzusteigen, einem 5380 Meter hohen Aussichtsberg und dort das grandiose Panorama zu genießen – wenn das Wetter passt. Dann bringe ich euch natürlich auch ein paar schöne Bilder mit.