Gelesen: 8000+
Morgen feiert Ueli Steck Geburtstag. Der Top-Bergsteiger aus der Schweiz wird 36 Jahre alt – eigentlich noch ziemlich jung, gemessen an dem, was er in den Bergen bereits geleistet hat. Nicht nur mit seinen Speed-Solo-Projekten an den klassischen Alpen-Nordwänden, sondern in den vergangenen Jahren auch an den höchsten Bergen der Welt. Vor allem um diese Expeditionen geht es in Uelis Buch „8000+ – Aufbruch in die Todeszone“, das ich euch wärmstens empfehle – und das nicht, weil ich ihm zum Geburtstag eine Freude machen will.
Der perfekte Tag
Sehr bescheiden, uneitel und offen schildert der Schweizer – mit Unterstützung der Autorin Karin Steinbach (fast schon eine Garantie für Qualität) – seine Erlebnisse im Himalaya und Karakorum. Dort hat Steck als Bergsteiger schon Zeichen gesetzt. 2005 etwa durchstieg Ueli am Sechstausender Cholatse in Nepal als Erster die Nordwand im Alleingang. 2008 gelang ihm mit seinem Landsmann Simon Anthamatten am Sechstausender Teng Kampoche, ebenfalls in Nepal, die Erstbegehung der extrem schwierigen Nordwand – wofür beide mit dem Piolet d’Or, dem Oscar der Bergsteiger, belohnt wurden. Seinen bisher größten Coup aber landete der Schweizer 2011, als er für die Südwand des Achttausenders Shishapangma in Tibet gerade einmal zehneinhalb Stunden benötigte, solo und auf einer teilweise neuen Route. „Der perfekte Tag, die perfekte Begehung“, bilanziert Ueli und das, obwohl er doch ursprünglich nur in die Wand geklettert war, um sich mit einem Aufstieg bis auf etwa 7000 Meter weiter zu akklimatisieren. Doch dann macht er einfach weiter, immer der Nase nach, und steht irgendwann am Gipfel.
Kontrollfreak
Mehrfach hatte ich beim Lesen den Eindruck, als wäre Ueli selbst davon überrascht, zu welchen Leistungen er in der Lage ist. Doch er gilt nicht umsonst als einer der besten Bergsteiger weltweit: sehr erfahren, technisch versiert und dann auch noch extrem schnell. Steck hat es nicht nötig, seine Projekte schön oder über andere schlecht zu reden. „Das Einzige, wofür ich appelliere ist, dass wir ehrlich sein sollten, ehrlich mit jenen Leuten, die unsere Leistungen nicht einschätzen können.“ Ueli hat ein Problem mit der Bezeichnung Extrembergsteiger: „Für mich ist extrem gleichbedeutend mit unkontrolliert.“ Er sei ein Kontrollfreak: „Für mich ist es unvorstellbar, dass man auf dem Abstieg an Erschöpfung sterben kann. Ich glaube, ich hätte nicht die Nerven so weit zu gehen.“
Selbstverständlich geholfen
Wie schmal der Grat ist, auf dem sich Profibergsteiger im Himalaya bewegen, hat Steck mehrmals am eigenen Leib erfahren. Vor allem an der Annapurna, dem gefährlichsten Achttausender. Als er 2007 versuchte, die Südwand solo zu durchsteigen, traf ihn ein Stein am Kopf. Ueli verlor das Bewusstsein und fand sich 200 Meter tiefer wieder – wie durch ein Wunder fast unverletzt. Ein Jahr später kehrte er zur Annapurna zurück. Vergeblich versuchte er, in 7400 Meter Höhe den höhenkranken Spanier Iñaki Ochoa zu retten. „Ich brauchte lange, bis ich darüber hinwegkam, dass ich ihm nicht mehr hatte helfen können“, schreibt Steck. Und er hatte Mühe damit, von allen Seiten für eine Rettungsaktion gelobt zu werden, die für ihn selbstverständlich gewesen war.
Erst der Anfang
Gerne hätte ich noch ein bisschen mehr über seine erfolgreiche Besteigung des Mount Everest im Mai 2012 erfahren. Ohne Flaschensauerstoff, in einem Frühjahr, das vor allem wegen der langen Schlangen von Everest-Anwärtern und einiger Todesfälle für Schlagzeilen sorgte. Ueli ließ sich von diesen Umständen nicht irritieren. Und er verspricht: „Der Everest war nicht das Ende, sondern der Anfang.“ Ich bin gespannt.